Kein Teil des menschlichen Körpers drückt so viel aus wie das Gesicht. Deshalb glauben wir, andere selbst dann an ihrem Gesicht zu erkennen, wenn wir in Wirklichkeit auf etwas ganz anderes geachtet haben. Das hat Allyson Rice von der University of Texas in Dallas vor Kurzem nachgewiesen. Sie zeigte Versuchspersonen Bilder, die aus einem Test von elektronischen Gesichtserkennungs-Systemen stammten. Auf ihnen waren jeweils Kopf und Oberkörper eines Menschen zu sehen. Der Clou: Rice wählte vor allem solche Fotos aus, an denen der Computer gescheitert war, weil die Gesichter auf den Schnappschüssen kaum zu erkennen waren.
Wenn die Versuchspersonen nur die Gesichter aus diesen Bildern zu sehen bekamen, konnten sie folgerichtig kaum korrekt angeben, ob zwei Bilder den gleichen Menschen zeigten oder nicht. Viel mehr Treffer erzielten sie aber, wenn sie die ganzen Bilder sahen – selbst dann, wenn die Gesichter darauf abgedeckt waren. Offensichtlich urteilten die Teilnehmer anhand von Körpermerkmalen. Doch das war ihnen nicht klar. Wenn sie gefragt wurden, worauf sie ihr Urteil hauptsächlich gründeten, antworteten sie: Nase, Gesichtsform, Ohren, Mund, Augenform.
Wenn wir einem Freund zulächeln, der gerade am anderen Ende des Bahnsteigs aus dem Zug steigt, haben wir ihn also wahrscheinlich nicht an seinem Gesicht erkannt, auch wenn wir fest davon überzeugt sein sollten.