Schmutzige Fenster und Straßen- oder Gebäudeoberflächen beeinflussen die Luftqualität in Städten möglicherweise stärker als bisher gedacht, legt eine Studie kanadischer Forscher nahe: Die fettigen Dreckschichten, die sich im Lauf der Zeit auf den Oberflächen bilden, wirken unter bestimmten Bedingungen wie ein chemischer Reaktor und setzen bei Sonnenbestrahlung Stickoxide frei. Diese können dann wiederum zur Smogbildung in den Städten beitragen. Der Mechanismus, den die Chemiker in simuliertem Fensterschmutz im Labor entdeckt haben, könnte erklären, warum es gerade in Großstädten häufig mehr Stickoxide in der Luft gibt, als die Modelle zur Luftverschmutzung vorhersagen.
Die Schmutzfilme, die in vielen Städten an glatten Fassaden, Fenstern oder auch der Straßenoberfläche haften, sind komplexe Mischungen aus einer ganzen Reihe von Chemikalien. Dazu gehören anorganische Salze wie Sulfate und Nitrate sowie bis zu zehn Prozent organische Verbindungen wie Kohlenhydrate und verschiedene Arten von Kohlenwasserstoffen. Bereits frühere Studien hatten darauf hingedeutet, dass in diesen Schmutzschichten entgegen ursprünglicher Annahmen sehr viele und zum Teil sehr ungewöhnliche chemische Reaktionen stattfinden. Das gilt besonders für Stickoxide und andere stickstoffhaltige Verbindungen, zeigen nun die Ergebnisse von Susannah Handley und ihrem Team: Die Schmutzmischung fördert eine Art Recyclingmechanismus, bei dem unbedenkliche Stickstoffverbindungen in aktivere umgewandelt werden.
Die Wissenschaftler stellen sich den Kreislauf etwa so vor: Wenn Stickstoffdioxid, das unter anderem durch Autoabgase in die Luft gerät, mit Luftfeuchtigkeit reagiert, bildet sich Salpetersäure, die in die Schmutzschichten auf den Oberflächen eindringt. Dort spalten sich zumindest einige der Moleküle in Wasserstoff- und Nitrationen. Fällt dann Sonnenlicht auf den Film, reagieren diese Ionen vermutlich unter Beteiligung einiger Kohlenwasserstoffe weiter und bilden andere Stickstoffverbindungen ? höchstwahrscheinlich Salpetrige Säure und die Ausgangsverbindung Stickstoffdioxid, die wieder an die Luft abgegeben werden.
Stickoxide wie Stickstoffdioxid sind sowohl an der Smogbildung als auch am so genannten Sauren Regen beteiligt. In Modellen zu ihrer Entstehung habe es schon länger Unstimmigkeiten und Hinweise auf eine weitere wichtige, bisher aber unbekannte Quelle gegeben, schreiben die Wissenschaftler. Die unerwartete Recyclingaktivität des Fenster- und Fassadenschmutzes könnte ihrer Ansicht nach diese Lücke erklären.
Susannah Handley (Universität Toronto) et al.: Environmental Science and Technology, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1021/es062044z ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel