Die meisten Forscher machen für das Phänomen die unterschiedliche Durchblutung und damit die unterschiedliche Versorgung der Körperanhänge mit Nährstoffen verantwortlich ? eine These, die laut Serrat und ihrem Team experimentell bisher nicht bestätigt wurde. Daher ließen die Forscher für ihre Studie nun Mäuse unter verschiedenen Umgebungstemperaturen zwischen 7 und 27 Grad Celsius aufwachsen. Das überraschende Ergebnis: Selbst Mäuse aus dem gleichen Wurf hatten nach acht Wochen messbar längere Beine und bis zu ein Zentimeter längere Schwänze, wenn sie im Warmen gehalten wurden. Dahinter steckte jedoch nicht die Nährstoffversorgung, sondern vielmehr die unterschiedliche Menge an Wärme, die die veränderte Durchblutung mit sich brachte. Als die Forscher nämlich isolierte Mittelfußknochen ohne Blutversorgung bei unterschiedlichen Temperaturen im Labor wachsen ließen, fanden sie eine ähnliche Längendifferenz.
Verantwortlich dafür war das Knorpelwachstum am Ende der Knochen, zeigte eine genauere Analyse: Es beschleunigte sich in der Wärme. Da sich der Knorpel nach und nach in Knochen umwandelt, lässt sich auf diese Weise sowohl das schnellere Wachstum der Ohren als auch das der Gliedmaßen erklären. Die Allensche Regel spiegelt demnach möglicherweise gar keine genetische Anpassung wider, sondern eher eine direkte körperliche Reaktion auf die Umgebungstemperatur, folgern die Forscher. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei nur um einen von vielen Faktoren handele und etwa bei den Tieren der Arktis zusätzlich genetische Veränderungen vorlägen.