„Alarm, unser Baum wird angegriffen!“ Ameisen bilden die Schutztruppen der afrikanischen Akazien: Die Krabbler attackieren sofort jeden Pflanzenfresser, der an den Zweigen ihres Heimatbaumes knabbert. Wie Biologen nun zeigen konnten, lösen Elefant und Co beim Fressen spezielle Vibrationen im Baum aus, welche die Verteidiger alarmieren und zum Einsatzort leiten. Interessanterweise verursachen durch Wind erzeugte Schwingungen hingegen kein Aggressionsverhalten bei den sechsbeinigen Bodyguards.
Sie prägen das Bild der Ostafrikanischen Savannen: Akazienbäume bieten vielen Wildtieren dort Schatten und Nahrung. Doch einfach kahlfressen lassen sich diese Gewächse nicht: Neben Stacheln zur Verteidigung nutzen Akazien eine weitere raffinierte Form der Abwehr – sie heuern Ameisen als Bodyguards an. Es handelt sich dabei um eine sogenannte mutualistische Beziehung – beide Partner profitieren: Die Bäume bieten den Akazien-Ameisen (Crematogaster mimosae) Nektar und Wohnraum in speziellen hohlen Dornen. Im Gegenzug schützen die rabiaten Insekten ihren jeweiligen Heimat-Baum: Sobald sich Gazellen, Giraffen oder Elefanten an den Blättern der Akazie zu schaffen machen, attackieren die Ameisen vehement deren Schnauzen oder Rüssel. Mit vereinten Kräften können die Winzlinge so schließlich auch die Riesen in die Flucht schlagen.
Wie kommen die Verteidiger so schnell zum Einsatzort?
Die Grundlage der Studie der beiden Biologen Kathrin Krausa und Felix Hager von der Ruhr-Universität Bochum bildeten unangenehme Erfahrungen während ihrer Feldarbeit in der Savanne: “Wir haben dort manchmal Akazienäste unbeabsichtigt berührt und mussten uns dann schnell zurückziehen, weil uns schlagartig Ameisen attackierten”, sagt Krausa. Das weckte die Frage, wie es die Insekten schaffen, so schnell zu reagieren und den Angreifer zu finden. Bisher galten chemische Reize, die bei Beschädigungen der Pflanzen freigesetzt werden, als Angriffssignale für die Ameisen. Doch den Forschern erschien dies wenig plausibel, denn diese Reize breiten sich relativ langsam aus und der Effekt ist stark vom Wind abhängig.
„Wir hielten es darum für viel wahrscheinlicher, dass die Ameisen mechanische Reize detektieren“, sagt Krausa. Dieser Vermutung gingen die beiden Biologen durch Verfahren der sogenannten Biotremologie nach. Dabei handelt es sich um eine noch recht junge wissenschaftliche Disziplin, die substrat-getragene Vibrationen und ihre Effekte auf Organismen untersucht.
Die Ameisen werden gleichsam zusammengetrommelt
Als Versuchstier zur Erzeugung der tierischen Vibration diente den Forschern eine Ziege: „Anstelle von Elefanten, die zwar zahlreich vorhanden, aber schwer zu bändigen waren, haben wir eine Ziege an den Akazien fressen lassen“, so Krausa. Hager fährt fort: „Eine Akazie in der afrikanischen Savanne vibriert allerdings nicht nur, wenn Elefant und Co an ihr rütteln. Auch Wind versetzt Äste oder den ganzen Baum in Schwingungen.“ Wie die beiden erklären, haben sie deshalb die durch Wind verursachten Vibrationen mit denen von fressenden Säugetieren verglichen.
Die Untersuchungen zeigten: Nur die vergleichsweise hochfrequenten Vibrationen, die durch das Abzupfen von Blättern verursacht werden, alarmierten die Ameisen. Die Insekten reagierten auf diese Reize mit verstärktem Patrouillieren, wohingegen sich ihre Aktivität nicht änderte, wenn der Baum sich im Wind bewegte. Die Forscher konnten zudem zeigen, dass die durch ein Säugetier verursachten Vibrationen so stark sind, dass sie sich über den gesamten Baum ausbreiten.
„Auf diese Weise werden die überall auf dem Baum verteilten Ameisen innerhalb kürzester Zeit alarmiert“, resümieren die Forscher. In der Vibration steckt dabei allerdings noch eine weitere wichtige Information, zeigten die Beobachtungen: Die Tiere orientieren sich an der Richtung, aus der die Schwingungen kommen. Die Vibrationen trommeln die Verteidiger demnach regelrecht zusammen. Am Ursprungsort heißt es dann: Attacke auf Rüssel oder Schnauze!
Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Cell Press, Current Biology, 2019, DOI: 10.1016/j.cub.2019.01.007