Mehr als fünfzig Jahre nach einem bahnbrechenden Experiment zur Entstehung des Lebens auf der Erde haben Chemiker Originalproben dieses Versuchs entdeckt und erneut analysiert. Das Ergebnis: Die ersten Bausteine des Lebens ? die Aminosäuren ? bildeten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in und an vulkanisch aktiven Inseln und nicht, wie bislang meist angenommen, im Meer oder auf bereits ausgebildeten Landmassen. Die Proben stammen aus dem Vermächtnis des 2007 verstorbenen US-Chemikers Stanley Miller. Er hatte 1953 erstmals nachgewiesen, dass sich die Biomoleküle aus einer Mischung einfacher Gase wie Methan, Ammoniak und Wasserstoff bilden können, wenn sie einer elektrischen Entladung ausgesetzt sind. Die aktuellen Ergebnisse gehen auf eine Abwandlung dieses Experiments zurück, die Miller nie veröffentlicht hat, berichten Jeffrey Bada vom Scripps-Forschungsinstitut in La Jolla und seine Kollegen.
Miller benutzte für seine Versuche drei verschiedene Varianten der gleichen Apparatur (siehe Abbildung). In allen Fällen wurde Wasser erhitzt, dessen aufsteigender Dampf eine Strömung erzeugte. Diese transportierte eine Gasmischung, deren Zusammensetzung nach damaligem Wissen der der frühen Erdatmosphäre entsprach, zu zwei Elektroden, an denen eine elektrische Entladung einen Blitz simulierte. Nach mehreren Tagen bildete sich dabei ein Gemisch größerer und kleinerer organischer Moleküle, darunter auch Aminosäuren, wie sie Organismen zum Bau von Eiweißverbindungen verwenden. Das zweite Experiment unterschied sich im Aufbau lediglich durch eine Art zusätzlich eingebautes Saugventil, das den Wasserdampf schneller strömen ließ und die Dynamik veränderte. Die dritte Variante verwendete ein anderes Entladungssystem. Von allen Versuchen nahm Miller Proben, die er bis zu seinem Tod im Labor aufbewahrte.
Bada, der mit Miller zusammenarbeitete und ein enger Freund von ihm war, bearbeitete nun diese mittlerweile eingetrockneten Proben und analysierte sie. Dabei stellte er zum einen fest, dass das Originalexperiment nicht fünf verschiedene Aminosäuren produzierte hatte, wie Miller damals glaubte, sondern 14. Zum anderen entpuppte sich das zweite, unveröffentlichte Experiment mit der zusätzlichen Wasserdampfinjektion als noch deutlich ergiebiger: Bada fand 22 Aminosäurevarianten und noch einige Stickstoffverbindungen, die Miller mit den damaligen Methoden nicht nachweisen konnte.
Heute wisse man, dass die Zusammensetzung der Uratmosphäre nicht der entsprochen hat, die Miller verwendete, erläutert Bada. Doch die Bedingungen des zweiten Experiments entsprächen exakt denen, die in den Dampfwolken von Vulkanen herrschten. Da dort zudem ständig elektrische Entladungen stattfinden, ist auch die nötige Energie vorhanden. Zusammen lasse das nur die Schlussfolgerung zu, dass die ersten Lebensbausteine innerhalb von Vulkanen entstanden seien ? und ähnliche Prozesse möglicherweise auch auf anderen Planeten wie dem Mars kurz nach seiner Entstehung stattfanden.
Jeffrey Bada (Scripps-Forschungsinstitut in La Jolla) et al.: Science, Bd. 322, S. 404. ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel