Streitfall Glyphosat – wegen möglicher Gefahren für die menschliche Gesundheit steht das Unkrautvernichtungsmittel seit Jahren im kritischen Blick der Forschung. Wenigstens den Bienen kann der Wirkstoff nichts anhaben, hieß es bislang. Doch dies war offenbar ein Trugschluss, geht nun aus einer Studie hervor: Glyphosat bedroht die Insekten indirekt und zwar über ihre Darmflora. Es schädigt demnach bestimmte günstige Darmbakterien der Bienen und macht sie dadurch anfällig für Krankheitserreger. Möglicherweise spielt dieser Effekt eine Rolle beim sogenannten Bienensterben, sagen die Forscher.
Wo Unkraut sprießt, geht der Ertrag zurück. Dieser simple Zusammenhang steckt hinter dem immensen Verbrauch von Unkrautvernichtungsmitteln in der Landwirtschaft. Allen voran Glyphosat, das unter dem Handelsnahmen Roundup bekannt geworden ist. Es handelt sich um ein sogenanntes Totalherbizid – es vernichtet jegliches Grün. Eingesetzt wird es deshalb vor allem, um vor dem Anbau erst einmal tabula rasa auf dem Acker zu schaffen. Außerdem ist es der Schlüsselfaktor beim Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen wie Baumwolle, Mais und Sojabohnen, die gegen Glyphosat immun gemacht wurden.
Da Glyphosat ein wichtiges Enzym angreift, das nur in Pflanzen und Mikroorganismen vorkommt, galt es lange als unbedenklich für Mensch und Tier. Doch in den letzten Jahren hat sich dieses Bild deutlich gewandelt: Einige Studien attestierten der Substanz eine krebserregende Wirkung – andere widersprachen diesem Befund allerdings, was heftige Kontroversen auslöste. Letztlich setzten sich die Befürworter des Einsatzes durch: Die Zulassung in der EU wurde im November 2017 um fünf weitere Jahre verlängert. Doch nun zeichnet sich ein weiterer kritischer Aspekt von Glyphosat ab, mit dem man bisher nicht gerechnet hat.
Neuer Aspekt im Streit um Glyphosat
Den Hintergrund der aktuellen Studie bilden zahlreiche Untersuchungen, die aufzeigen, welche enorme Bedeutung die Zusammensetzung der Darmbakterien für die Gesundheit von Lebewesen hat – dies gilt auch für Bienen. So stellte sich die Frage, ob die bekanntermaßen schädliche Wirkung von Glyphosat auf bestimmte Mikroorganismen die Darmflora der Insekten beeinträchtigen kann und damit deren Gesundheit.
Um dieser Frage nachzugehen, haben die Forscher um Erick Motta und Nancy Moran von der University of Texas in Austin Honigbienen Glyphosatkonzentrationen ausgesetzt, wie sie im Rahmen des praktischen Einsatzes des Herbizids auftreten können. Nach der Behandlung gliederten sie die durch Farbtupfer markierten Tiere wieder in das normale Stockleben ein. Drei Tage später sammelten die Forscher sie erneut ein und analysierten die Darmflora der Versuchstiere, um sie mit der von unbehandelten Bienen vergleichen zu können.
Es zeigte sich: Bei vier von acht untersuchten gesunden Darmbakterienarten waren bei den behandelten Bienen deutliche Verluste zu verzeichnen. Die am stärksten betroffene Bakterienart war dabei Snodgrassella alvi, berichten die Forscher. Wie sie erklären, handelt es sich dabei um einen besonders wichtige Bewohner des Bienendarms: Sie helfen den Insekten, Nahrung zu verarbeiten und verhindern, dass sich Krankheitserreger breitmachen. “Studien an Menschen, Insekten und anderen Tieren haben gezeigt, dass ein gesundes Darmmikrobiom sich Infektionen durch opportunistische Eindringlinge widersetzen kann”, sagt Moran. “Wenn man diese gesunde Gemeinschaft stört, wird man deshalb anfälliger für die Invasion von Krankheitserregern.”
Durch Glyphosat geschädigte Darmflora macht anfällig
Diesen Effekt konnten die Wissenschaftler auch im Rahmen ihrer Studie bestätigen: Die Bienen mit der durch Glyphosat gestörten Darmflora zeigten sich vergleichsweise anfällig gegenüber der Infektion mit einem Erreger, der Bienen bekanntermaßen weltweit zu schaffen macht. Ungefähr die Hälfte der Bienen mit einer gesunden Darmflora überlebten die experimentelle Infektion mit dem Bakterium Serratia marcescens, berichten die Forscher. Von den Glyphosat behandelten Tieren schaffte dies hingegen nur ein Zehntel.
Den Forschern zufolge lassen die Ergebnisse nun auch vermuten, dass Glyphosat eine Rolle im Rahmen des sogenannten Bienensterbens (Colony Collapse Disorder) spielt. Untersuchungen der letzten Jahre haben verdeutlicht, dass der weltweit auftretende Verlust von Bienenvölkern komplexe Ursachen hat. Neben Parasiten und Krankheiten gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Pflanzenschutzmittel den kostbaren Bestäubern und Honigproduzenten zu schaffen machen. Der aktuelle Befund passt nun in dieses Bild. “Es ist sicherlich nicht das Einzige, was das Bienensterben verursacht, aber es ist definitiv etwas, worüber man sich Gedanken machen sollte, weil Glyphosat überall verwendet wird”, resümiert Motta. Wie die Forscher abschließend betonen, könnten außerdem auch andere Insekten betroffen sein. Eine ähnlich zusammengesetzte Darmflora wie die Honigbiene besitzt beispielsweise auch ihre pummelige Cousine – die Hummel.