Die Tierwelt auf der Erde ist enorm vielfältig: Die auf unserem Planeten lebenden Arten haben im Laufe der Evolution eine Reihe von unterschiedlichen Merkmalen und Überlebensstrategien entwickelt. Doch welche davon wappnen sie für die heutige Zeit am besten? Wie Forscher nun herausgefunden haben, sind vor allem große Säugetiere und Vögel vom Aussterben bedroht. Im Gegensatz dazu kommen viele kleine Arten besser mit ökologischen Veränderungen zurecht. Als Folge könnte in Zukunft eine deutliche Verschiebung in Sachen Körpergröße stattfinden – die Tiere werden immer kleiner.
Ob die Rodung der Regenwälder oder die Vermüllung der Weltmeere: Durch sein Wirken verändert der Mensch die Ökosysteme der Erde nachhaltig. Die dramatischen Folgen hat erst vor kurzem der globale Biodiversitätsbericht aufgezeigt. Demnach sind derzeit eine Million Tiere und Pflanzen vom Aussterben bedroht, viele andere sind bereits endgültig von unserem Planeten verschwunden. Bekannt ist in diesem Zusammenhang, dass manche Arten besser mit den vom Menschen verursachten Veränderungen ihrer Lebensräume zurechtkommen als andere. Doch woran liegt das? Gibt es bestimmte Merkmale, die eine Spezies besonders anfällig machen?
Dieser Frage sind nun Robert Cooke von der University of Southampton und seine Kollegen nachgegangen – am Beispiel von Vögeln und landlebenden Säugetieren. Für ihre Studie betrachteten sie insgesamt 15.484 Spezies, deren Lebensweise und Überlebensstrategien sie analysierten. Konkret schauten sich die Wissenschaftler dabei fünf wesentliche Merkmale an: Neben der Körpergröße, der Anzahl der Jungtiere und der Zeitspanne zwischen zwei Generationen dokumentierten sie, wie sich ein Tier ernährt und ob es eher ein Generalist oder ein Spezialist ist. Kommt die Art also in vielfältigen Lebensräumen vor oder kann sie nur in ganz speziellen ökologischen Nischen überleben?
Vorteile für die Kleinen
Diese Daten kombinierte das Forscherteam anschließend mit Informationen aus der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) und ließ sie in ein Modell einfließen, um Vorhersagen für die Zukunft zu erstellen: Welche Tiere werden in den kommenden 100 Jahren aussterben und lassen sich dabei bestimmte Muster erkennen? Die Ergebnisse offenbarten: Tatsächlich hängen die künftigen Überlebenschancen einer Spezies stark von deren charakteristischen Merkmalen ab. Demnach sind die Prognosen vor allem für kleine, schnelllebige, sehr fruchtbare und insektenfressende Tiere gut, die mit unterschiedlichen Lebensbedingungen zurechtkommen. Dazu gehören unter anderem Nagetiere wie die Zwergrennmäuse und Singvögel wie der Mahaliweber aus der Familie der Webervögel.
Zu den Verlierern gehören dagegen weniger anpassungsfähige Arten, die sich nur langsam fortpflanzen und auf ganz bestimmte Umweltbedingungen angewiesen sind. In der Regel handelt es sich bei diesen Arten um vergleichsweise große Tiere, wie Cooke und seine Kollegen berichten: etwa den Raubadler oder das Spitzmaulnashorn. Dieser Nachteil für die großen Arten wird die Tierwelt sichtbar verändern. Wie die Analysen ergaben, werden kleine Spezies in Zukunft klar dominieren, während große immer seltener werden. Durch diese Verschiebung wird zum Beispiel die mittlere Körpermasse der Säugetiere im Laufe des nächsten Jahrhunderts um 25 Prozent abnehmen – die Tierwelt schrumpft.
Ein selektiver Prozess
“Wir zeigen damit, dass das Verschwinden von Säugetieren und Vögeln nicht zufällig verläuft. Es handelt sich vielmehr um einen selektiven Prozess, bei dem bestimmte Lebewesen abhängig von ihren Merkmalen und ihrer Anfälligkeit für ökologische Veränderungen herausgefiltert werden”, konstatiert Cookes Kollege Felix Eigenbrod. Wie die Wissenschaftler betonen, hat es ähnliche Entwicklungen in Sachen Körpergröße zwar bereits in der Vergangenheit gegeben – unter anderem nach der letzten Zwischeneiszeit. Der nun prognostizierte Wandel verlaufe jedoch deutlich rasanter. Zum Vergleich: Seit der letzten Zwischeneiszeit vor 130.000 Jahren bis heute haben Tiere im Durchschnitt vermutlich nur 14 Prozent ihrer Körpermasse eingebüßt.
“Das substanzielle Schrumpfen, das wir vorhersagen, könnte langfristig mit weiteren negativen Folgen für die Ökosysteme einhergehen”, warnt Cooke. “Denn einerseits ist dieser Prozess zwar eine Folge ökologischer Veränderung. Andererseits könnte das Schrumpfen der Tierwelt weitere Veränderungen erst antreiben.” So übernähmen viele der vom Aussterben bedrohten Arten eine Schlüsselrolle in ihrem Lebensraum. Das Forscherteam sieht die Ergebnisse der Studie daher auch als Anlass, um erneut für mehr Naturschutz zu plädieren. “So lange bedrohte Arten existieren, ist noch Zeit, sie zu retten. Wir hoffen, dass unsere Arbeit in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise liefern kann”, schließt Mitautorin Amanda Bates von der Memorial University of Newfoundland.
Quelle: Robert Cooke (University of Southampton) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-10284-zv