Korallenriffe liegen oft wie ein schützendes Bollwerk vor den Küsten und trotzen selbst schweren Stürmen. Was diese Riffe so stabil macht, haben nun Wissenschaftler untersucht. Wie sie herausfanden, spielen dafür bestimmte Rotalgen eine entscheidende Rolle. Denn ihre Kalkabsonderungen wirken wie ein Zement, der die Korallenriffe festigt und so das Wachstum vieler Riffe erst ermöglicht.
Die von Korallen gebildeten Riffe im Meer sind einzigartige Ökosysteme. Tropische Korallenriffe wie das Great Barrier Reef bieten durch ihr dreidimensionales Gerüst unzähligen Tierarten Lebensraum und Unterschlupf. Gleichzeitig wirken die Küstenriffe wie ein Bollwerk gegen die anbrandende See. Gebildet werden die Riffe aus den Kalkskeletten von Millionen winziger Lebewesen – den sogenannten Korallenpolypen. Allerdings sind die Gerüste der einzelnen Korallen häufig so fragil, dass sie schweren Stürmen kaum standhalten würden.
Sind die Riffe auf Rotalgen angewiesen?
Wie werden die Riffe trotzdem so stabil? Ein Forscherteam um Sebastian Teichert von der Universität Erlangen-Nürnberg ist dieser Frage auf den Grund gegangen. Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass bestimmte Rotalgen dabei eine Rolle spielen. Diese zur Gruppe der Corallinophycidae gehörenden Algen sind in der Lage, ebenfalls Kalk einzulagern und dadurch ein stabiles Skelett zu bauen. „Diese Algen können einen Grat auf dem Riff bilden, der dieses gegen Wellen stabilisiert und loses Sediment bindet”, erklären die Forscher. „Sie gelten deshalb auch als Klebstoff, der die Korallenriffe zusammenhält.”
Um herauszufinden, ob das Wachstum der Korallenriffe von diesen Rotalgen abhängig ist, analysierten die Wissenschaftler das Wachstum von mehr als 700 fossile Einzelriffen. Dafür verwendeten sie Daten aus der „PaleoReefsDatabase“ (PARED) – einer umfassenden Sammlung geologischer und paläontologischer Daten von Korallenriffen aus 150 Millionen Jahren Erdgeschichte.
Je mehr Algen, desto mehr Riffe
Das Ergebnis: Im Laufe der Erdgeschichte stieg die Zahl der Korallenriffe dann an, wenn auch das Vorkommen der Rotalgen zunahm. „Wir fanden eine signifikante Beziehung zwischen dem Anteil der Riffe, die coralline Algen als sekundäre Riffbauer enthalten, sowie den Anteil der echten Riffe in den letzten 150 Millionen Jahren“, so Teichert und sein Team. Bei ihren Analysen stellten die Forscher fest, dass die Größe der von Rotalgen gestützten Korallenriffen während der Jahrmillionen stark schwankte – je nachdem wie hoch das Algenvorkommen war. Obwohl es in allen Zeitepochen auch Korallenriffe ohne Kalkeinlagerungen der Rotalgen gab, bestätigen die Daten, dass die Algen das Wachstum einiger Korallenriffe maßgeblich beeinflussten.
Das stark wechselnde Vorkommen der Rotalgen im Laufe der Erdgeschichte konnten die Forscher auch erklären: Die Rotalgen stützen mit ihrem besonderen Zement die Riffe zwar bereits sehr lange – aber unterlagen dabei ständigen Krisen. „Über die Jahrmillionen haben verschiedene Krisen sie immer wieder in dieser Funktion eingeschränkt“, sagt Teichert. Zu diesen Krisen gehören zum Beispiel der schwankende Meeresspiegel, sich ändernde Meerestemperaturen, der Gehalt an Kohlenstoffdioxid im Wasser oder auch die Evolution von pflanzenfressenden Meerestieren. Vor allem Seeigel und Papageienfische haben die corallinen Rotalgen im Verlauf der Zeit wiederholt dezimiert, weil sie sich von ihnen ernährten. Letzteres trat im untersuchten Zeitraum mindestens dreimal auf.
Allerdings entwickelten die Algen auch Abwehrmechanismen wie besondere Wuchsformen, um sich gegen ihre Fressfeinde zu behaupten. „Die Algen haben sich so gut angepasst, dass sie mittlerweile sogar von den Pflanzenfressern profitieren“, sagt der Wissenschaftler. „Die Pflanzenfresser befreien die Algen nämlich von schädlichem Aufwuchs, beispielsweise Grünalgen, so dass sie ungehindert wachsen können.“ Dadurch stützen coralline Rotalgen die Riffe heute erfolgreicher als jemals zuvor in der Erdgeschichte.
Gefährdet der Klimawandel die Stützfunktion?
Trotz ihrer verbesserten Stabilität leiden viele Korallenriffe heutzutage unter dem Klimawandel: Korallenlarven besiedeln aufgrund der zunehmenden Erderwärmung inzwischen vermehrt kühlere Meeresbereiche in den Subtropen. Durch die steigenden Wassertemperaturen kommt es zudem immer wieder zu verheerenden Korallenbleichen, bei denen die Organismen ihre Algen-Symbionten abstoßen und anfällig für Krankheiten werden. Inwieweit der Klimawandel auch die Stützfunktion der corallinen Rotalgen beeinflusst, ist noch nicht geklärt. Verschlechtern sich die Lebensbedingungen weiter, schwächt das in Zukunft vermutlich nicht nur die Korallen, sondern trifft auch Riffbewohner und sogar den Menschen – denn Korallenriffe sind wichtig für den Küstenschutz, da sie Sturmwellen abschwächen und damit dicht besiedelte Küstenregionen vor Hochwasser schützen. Außerdem bieten sie eine Kinderstube für viele beliebte Speisefische und Meeresfrüchte.
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Fachartikel: Scientific Reports, doi: s41598-020-73900-9