Mit einem neuen Ansatz der grünen Gentechnik ist es Forschern gelungen, Reis- und Kartoffelpflanzen nicht nur toleranter gegenüber Trockenheit zu machen, sondern auch ihren Ertrag um 50 Prozent zu steigern. Dazu brachten die Forscher ein menschliches Gen in die Pflanzen ein, das ein Protein namens FTO codiert. Dieses verändert bestimmte Modifikationen auf der RNA der Pflanzen und fördert so ihr Wachstum. Die Forscher hoffen, den gleichen Effekt in Zukunft ohne artfremde Gene zu erreichen.
Damit die DNA von Lebewesen abgelesen werden kann, werden die darin codierten Baupläne zunächst in sogenannte Messenger RNA (mRNA) übersetzt. Diese wiederum dient als Anleitung für die Herstellung von Proteinen. Dieser Prozess wird auf vielen Ebenen reguliert. Modifikationen an der DNA sorgen beispielsweise dafür, dass bestimmte Gene häufiger, seltener oder gar nicht abgelesen werden. Ähnliche Modifikationen finden sich auch auf der RNA. Dabei werden chemische Gruppen an Bestandteile der RNA angehängt, die beeinflussen, wie welche Proteine hergestellt werden.
Modifikation für mehr Ertrag
Diesen Mechanismus hat sich ein Team um Qiong Yu von der Universität Peking in China nun zunutze gemacht. Dabei fokussierten sie sich auf sogenannte N6-methyladenosine-Modifikationen (m6A) in Pflanzen. Bei dieser Modifikation sind an bestimmten Stellen der RNA Methylgruppen angehängt. „Frühere Ergebnisse haben darauf hingedeutet, dass m6A das Wachstum und die Physiologie der Pflanzen beeinflusst“, erklären die Forscher. „Deshalb haben wir spekuliert, dass die Manipulation des m6A-Spiegels ein neuer Weg zur Beeinflussung des Pflanzenwachstums sein könnte.“
Menschen und Tiere, nicht aber Pflanzen, haben ein Gen, das ein Protein namens FTO codiert. Dieses ist in der Lage, Methylgruppen von der RNA zu entfernen, also gewissermaßen m6A-Modifikationen rückgängig zu machen. Dieses Gen brachten Yu und ihre Kollegen in Reispflanzen ein. Das Ergebnis: „Die Expression von FTO fördert das Wurzelwachstum, die Bildung von Wurzelknospen, die photosynthetische Effizienz und die Trockentoleranz“ berichten die Forscher. Außerdem stellten sie fest, dass die Reispflanzen unter Laborbedingung bis zu dreimal mehr Ertrag brachten. Im Freiland steigerte sich der Ertrag um 50 Prozent. Die Höhe der Pflanzen veränderte sich dabei nicht.
Übertragbar auf verschiedene Pflanzenarten
Ähnliche Ergebnisse erzielten die Forscher auch mit Vertretern einer ganz anderen Pflanzenfamilie: Kartoffeln. Auch hier steigerte sich der Ertrag im Freiland um rund 50 Prozent. „Das deutet auf einen aufregenden Grad an Universalität hin“, sagt Co-Autor Chuan He von der University of Chicago. „Die Veränderung ist wirklich dramatisch und es funktionierte mit fast jeder Pflanzenart, mit der wir es bisher ausprobiert haben.“ Im Vergleich zu anderen gentechnischen Verfahren sei die Modifikation sehr einfach durchzuführen.
Gerade angesichts des Klimawandels sehen die Forscher ein großes Potenzial in ihrer Entdeckung: Die Studie zeige, dass die m6A-Modifikation der RNA entscheidend für die Kontrolle des Pflanzenwachstums sei. Ihre Modulation könnte daher einen neuen, vielversprechenden Ansatz zur wesentlichen Steigerung der Pflanzenproduktion biete, so das Team. „Die neue Technik bietet die Möglichkeit, Pflanzen so zu verändern, dass sie an die fortschreitende globale Erwärmung angepasst sind”, sagt He. „Wir sind auf Pflanzen für viele Dinge angewiesen – alles von Holz, Nahrung und Medizin bis hin zu Blumen und Öl – und nun haben wir möglicherweise eine Methode gefunden, das Ausgangsmaterial zu erhöhen, das wir von den meisten Pflanzen bekommen können.“
Geht es auch ohne Fremd-DNA?
Die Forscher wollen sich nun näher mit den zugrundeliegenden Mechanismen beschäftigen, damit sie womöglich in Zukunft den gleichen Effekt erreichen können, ohne artfremde Gene in die Pflanze einzubringen. „Es scheint, dass Pflanzen bereits diese Ebene der Regulierung haben, und alles, was wir getan haben, ist, sie anzuzapfen“, sagt He. „Der nächste Schritt wäre also, herauszufinden, wie man es mit der vorhandenen Genetik der Pflanze machen kann.“
Aus Hes Sicht eröffnet die RNA-Modifikation zahlreiche Einsatzgebiete: „Auch jenseits der Ernährung gibt es andere Folgen des Klimawandels“, sagt er. „Vielleicht könnten wir in bedrohten Gebieten Gräser züchten, die der Trockenheit widerstehen. Vielleicht könnten wir einem Baum im Mittleren Westen beibringen, längere Wurzeln zu bilden, so dass er bei starken Stürmen weniger wahrscheinlich umkippt. Es gibt so viele mögliche Anwendungen.“
Quelle: Qiong Yu (Universität Peking, China) et al., Nature Biotechnology, doi: 10.1038/s41587-021-00982-9