Ein Austausch mit Freunden tut gut – das gilt auch für Pflanzen. Forschern ist es nun gelungen, auch Tomatenpflanzen in der Gewächshaus-Produktion ein Zusammenleben mit ihren freundschaftlichen Symbiosepartnern zu ermöglichen. Diese sogenannten Mykorrhiza-Pilze senken dabei den Düngebedarf der Pflanzen mit dem Mangelnährstoff Phosphat erheblich. Zudem wirkt sich die Symbiose positiv auf die geschmacklichen und gesundheitlich wirksamen Inhaltsstoffe der Tomatenfrüchte aus, zeigen die Untersuchungen.
Sie sind eigentlich eher als Krankheitserreger bei Pflanzen bekannt, doch unter den Pilzen gibt es nicht nur Feinde, sondern auch Freunde: Einige bodenlebende Arten bauen mit bestimmten Pflanzen eine innige Austausch-Beziehung auf – eine sogenannte Mykorrhiza-Symbiose. Über eine Verbindung zwischen dem Pilzgeflecht im Boden und den Pflanzenwurzeln tauschen die Partner dabei Nährstoffe aus. Dieser “Handel” findet bei der weit verbreitetsten Form der Mykorrhiza-Symbiose über ein faszinierendes Gebilde statt: In einigen Zellen der Wurzeln bilden Pilz und Pflanze gemeinsam eine bäumchenartige Struktur (Arbuskel) aus, über die der Nährstofftransfer abgewickelt wird. Der Pilz liefert der Pflanze dabei vor allem den Nährstoff Phosphat aus dem Erdreich an und bekommt im Gegenzug Zuckerstoffe bereitgestellt.
Anspruchsvolle Freunde
Es ist bereits bekannt, dass die Mykorrhiza-Symbiose erheblich das Wachstum, die Gesundheit und den Gehalt an günstigen Inhaltsstoffen von Pflanzen fördern kann. Deshalb versuchen Forscher, Verfahren zu entwickeln, um die Kolonisierung von Pflanzenwurzeln mit den Pilzen gezielt zu fördern. Die Ausbringung von Mykorrhiza-Präparaten, die deren Sporen enthalten, können dazu dienen. Doch ganz so einfach ist der Aufbau der Freundschaftsnetzwerke im Wurzelbereich oft nicht. Denn die verschiedenen Pilzarten stellen spezielle Ansprüche an die Beschaffenheit des Substrats und die Nährstoffgehalte. Besonders problematisch ist dies im kommerziellen Pflanzenbau unter Glas, bei dem die Pflanzen oft auf künstlich hergestellten Substraten kultiviert werden, in die Düngelösungen geleitet werden. So gab es bisher auch keine Möglichkeit zur Mykorrhizierung im kommerziellen Anbau von Tomaten.
Das Kooperationsprojekt „Mycotom“ sollte dies nun ändern. Unter der wissenschaftlichen Leitung der Mykorrhiza-Expertin Bettina Hause vom Institut für Pflanzenbiochemie in Halle ging das Team dem Ziel nach, die Erkenntnisse aus der Mykorrhiza-Forschung in die Praxis zu transferieren. Die Forscher machten sich dazu zunächst auf die Suche nach tomatenspezifischen Mykorrhiza-Pilzen, die mit kommerziellen Sorten eine Symbiose ausbilden. Als geeignet erwies sich dabei die Art Rhizophagus irregularis. In ihren Versuchsgewächshäusern testeten die Wissenschaftler dann die Eignung verschiedener Substrate für das gemeinsame Wachstum von Wurzeln und Pilz. Im kommerziellen Anbau verwendet man zumeist Matten aus Kokosfasern. „Doch dieses Substrat allein erwies sich als gänzlich ungeeignet zur Mykorrhizierung“, berichtet Hause. „Wir haben lange Testreihen mit Substraten durchgeführt, die unterschiedliche Kokos- und Torfanteile aufweisen, ehe wir eine geeignete Mischung fanden, auf der sich die Pflanzen mykorrhizieren lassen“, berichtet die Forscherin.
Einsparungsmöglichkeiten und bessere Tomaten
Eine weitere Herausforderung stellte die Düngung dar. Das Problem: Tomatenpflanzen lassen die Besiedlung durch den Mykorrhiza-Pilz nur dann zu, wenn sie Hunger nach Phosphat haben. Eine reduzierte Düngung könnte allerdings wiederum zu Ertragseinbußen führen, so die Befürchtung. Doch wie die Forscher zeigen konnten, stellt sich bei einem Phosphatangebot von 70 Prozent der normalen Versorgung ein Gleichgewicht ein: Die Pflanzen lassen durch diese leichte Unterversorgung eine Besiedlung ihrer Wurzeln zu, wodurch der Pilz wiederum ihre Phosphatversorgung soweit verbessern kann, dass es zu keinen Ertragsverlusten kommt. Letztlich kann also Phosphatdünger eingespart werden.
Im Anschluss an die geglückte Mykorrhizierung unter den Gewächshausbedingungen, gingen die Forscher der Frage nach, inwieweit sich die Symbiose auf die Qualität der Früchte auswirkt. Ihre Analysen ergaben, dass die Tomaten von mykorrhizierten Pflanzen im Vergleich zu Kontrollen mehr geschmacksprägende Zuckersubstanzen, mehr antioxidativ wirksames Lycopin und sehr viel mehr Aminosäuren enthielten. Durch genetische Untersuchungen fanden sie Hinweise darauf, dass die Symbiose offenbar bestimmte Programme bei der Entwicklung der Früchte beeinflusst, was sich günstig auf die Bildung dieser Inhaltsstoffe auswirkt.
Das Fazit der Forscher lautet somit: Wer gesunde und schmackhafte Tomaten ernten möchte und noch dazu Dünger sparen will, sollte die Pflanzen mykorrhizieren. Wie sie berichten, entwickelt eine Firma auf der Grundlage der Ergebnisse nun bereits ein kommerziell erhältliches Mykorrhiza-Substrat für den Anbau von Tomaten unter Glas. Da sich Phosphordünger sparen lässt, könnte sich der Einsatz für Tomaten-Großproduzenten schnell rechnen. Diesen Aspekt heben die Forscher abschließend auch noch einmal speziell hervor. Denn die natürlichen Vorräte an anorganischem Phosphor zur Erzeugung von Düngemitteln werden Schätzungen zufolge in 40 bis 70 Jahren aufgebraucht sein. Man spricht bereits von einer Phosphatkrise, die die Erträge der weltweiten Landwirtschaft bedroht.
Quelle: Institut für Pflanzenbiochemie, Fachartikel: International Journal of Molecular Sciences, doi: 10.3390/ijms21197029