Immer wieder gelangen invasive Tierarten in fremde Gebiete und verdrängen dort die heimischen Spezies. So auch im Fluss Arno in Florenz, wie eine Langzeitstudie nun enthüllt. Dort wurden innerhalb von 215 Jahren alle bis auf eine heimische Fischarten durch gebietsfremden Spezies ersetzt. Ähnliches gilt auch für Schnecken, Muscheln und Krebstiere. Hauptursache dafür ist laut der Forscher der Mensch.
Extreme Arteninvasion: Ob invasive Flusskrebse in den USA, gebietsfremde Rippenquallen in der Ostsee oder pazifische Austern in der Nordsee – immer häufiger gelangen nicht-heimische Tierspezies durch den internationalen Reise- und Handelsverkehr des Menschen in fremde Lebensräume, die ihnen ideale Bedingungen für eine starke Vermehrung bieten. Das Problem: Sie gefährden dadurch die heimische Artenvielfalt, weil sie etwa um Nahrung, Unterschlupf und Brutplätze konkurrieren. Etablieren sie sich dauerhaft, rotten sie meist sogar die ursprünglichen Arten vollständig aus.
Wie ist die Lage im Arno?
Wie weit fortgeschritten die Arteninvasion im italienischen Fluss Arno ist, hat nun ein internationales Forscherteam um Phillip Haubrock vom Senckenberg Forschungsinstitut und dem Naturmuseum Frankfurt untersucht. Der Arno gilt als bedeutender und mit fast 250 Kilometern Länge als zweitlängster Fluss Mittelitaliens. Er schlängelt sich durch die nördliche Toskana bis nach Marina di Pisa, wo er in das Tyrrhenische Meer mündet.
Für ihre Studie dokumentierten die Wissenschaftler die Entwicklung der Artenvielfalt von Fischen und Makroinvertebraten im Arno über einen Zeitraum von 215 Jahren. Dafür werteten sie neben eigenen Erhebungen zahlreiche historische Dokumente und Sammlungen aus und sprachen zudem mit lokalen Historikern und Forschern. „Uns hat besonders interessiert, wie sich die Zusammensetzung der im Fluss lebenden Arten und die Artenvielfalt verändert hat – und welche Faktoren hierzu geführt haben“, erklärt Haubrock.
Deutlich mehr invasive als heimische Arten
Das Ergebnis: Bei allen beobachteten Tiergruppen leben heute deutlich mehr invasive als heimische Tierarten im Arno. Während etwa der Fischbestand um das Jahr 1800 noch zu 92 Prozent heimisch war, schrumpfte sein Anteil 200 Jahre später auf nur noch sechs Prozent. „Man kann festhalten, dass im Arno ein beinahe vollständiger Austausch der heimischen Arten durch eingewanderte Flussbewohner stattgefunden hat – bei den Fischen ist hier nur noch die Schleie Tinca tinca als ursprünglich in Italien vorkommende Art zu finden“, sagt Haubrock. Die restliche Fischfauna des Arnos besteht heute aus eingewanderten, nicht-heimischen Spezies.
Ähnliches stellten die Forscher auch für Muscheln, Schnecken, Krebse und andere Wassertiere fest. Nur noch 30 Prozent der heute dort lebenden Organismen dieser Gruppen können als heimisch bezeichnet werden. Interessant jedoch: Der Faunenwechsel im Arno hatte auf die Artenvielfalt der untersuchten Tiergruppen unterschiedliche Auswirkungen. „Betrachtet man den ganzen Zeitraum, steigt die Artenvielfalt innerhalb der Fische durch die eingewanderten Arten an, bei den Makroinvertebraten verzeichnen wir dagegen eine generelle Abnahme der Artenanzahl – hier konnten die invasiven Arten den Verlust der heimischen Lebewesen nicht ausgleichen“, resümiert Haubrock.
Hauptursache Mensch
Doch wie kam es zu dem Faunenaustausch in dem italienischen Fluss? Laut der Studie ist der Zuwachs fremder Fischarten hauptsächlich auf das Bevölkerungswachstum der Region rund um Florenz zwischen 1900 und 1950 zurückzuführen. In dieser Zeit stieg sowohl die Nachfrage nach Nahrungsquellen als auch der Wunsch nach Freizeitaktivitäten. „Wir konnten zeigen, dass in diesem Zeitraum zahlreiche Fischereiverbände gegründet wurden und die Florenzer Bürger und Bürgerinnen ihre Angelaktivitäten intensivierten – hierzu wurden auch nicht-heimische Arten gezielt in den Fluss eingebracht“, erklärt Haubrock. Zudem wurde der Arno kanalisiert und vertieft. Infolgedessen stieg die Strömung an und das Sediment wurde stärker abtransportiert – Umweltveränderungen, denen die nicht-heimischen Tiere laut Haubrock und seinen Kollegen besser gewachsen waren.
„Menschliche Aktivität – das beabsichtigte und auch unabsichtliche Einbringen neuer Arten, die Veränderung des Flusslaufs und die zunehmenden Umweltbelastungen – haben zu dem Austausch heimischer durch invasive Arten geführt“, sagt Haubrocks Kollege Peter Haase. Das Problem: „Der Arno ist kein Einzelfall. In vielen deutschen und europäischen Strömen hat der Anteil nicht-heimischer Arten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen“, so der Forscher weiter. „Wir benötigen daher Langzeitstudien mit einem einheitlichen Erfassungssystem, um hier ein erfolgreiches und nachhaltiges Umweltmanagement zu betreiben.“
Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Fachartikel: Global Change Biology, doi: 10.1111/gcb.15442