Um ihre Hypothese zu testen, wiesen die Forscher 86 Freiwillige an, den Dialog zwischen einem Mann und einer Frau zu beobachten. Die Testpersonen wussten dabei nicht, dass dieses Paar von Schauspielern dargestellt wurde, die für ihr Spiel genaue Anweisungen erhalten hatten: Ihr Gespräch sollte langsam in einen heftigen Streit eskalieren. Die Wissenschaftler wollten feststellen, wie lange es dauert, bis die Beobachter in den Kampf des Paares eingriffen. In den Tests variierten sie nicht nur das Ausmaß der Gefahrensituation, sondern auch die Anzahl der anwesenden Zuschauer: Die Testpersonen waren entweder die alleinigen Zuschauer oder es war noch ein zweite Person anwesend, die sich auf Anweisung der Forscher nicht einmischen sollte.
Das Ergebnis der Experimente: War die Situation für das “Opfer” nur wenig bedrohlich, griffen lediglich 6 Prozent der Testpersonen in den Streit ein, wenn sie nicht die einzigen Zuschauer waren. Ein anderes Bild ergab sich für die Wissenschaftler, als sich der Kampf des Paares dramatisch zuspitzte und damit eine tatsächliche Gefahrensituation entstand: In diesem Fall waren trotz Anwesenheit eines weiteren Zuschauers immerhin 40 Prozent der Testpersonen bereit, sich einzumischen und dem Opfer zu helfen. Der typische Zuschauer-Effekt wird demnach vom Ausmaß der drohenden Gefahr beeinflusst, schlussfolgern die Psychologen. Echte Gefahrensituationen werden nämlich eher und deutlicher als wirkliche Notfälle erkannt als Konflikte, die relativ harmlos erscheinen.