Bisher helfen Zäune kaum gegen Angriffe von Wölfen auf Weidetiere: Elektrozäune sind zu lückenhaft, feste Zäune zu aufwendig. Doch in Zukunft könnten “intelligente Zäune” Landwirte beim Herdenschutz unterstützen: Dank Sensoren und künstlicher Intelligenz sollen diese Zäune Wölfe erkennen und gezielt vergrämen. Gleichzeitig kann der Zaun den Viehbesitzer oder Behörden alarmieren und auch Schäden am Zaun erkennen.
Der Wolf erobert sich zunehmend sein einstiges Verbreitungsgebiet zurück – in immer mehr Gebieten Deutschlands gibt es inzwischen wieder Wolfsrudel oder Wolfspaare. Doch mit dem Wiedereinzug der Raubtiere bekommen manche Bauern ein Problem, die ihr Vieh auf Weiden halten. Denn Wölfe jagen zwar vorwiegend Wildtiere, doch auch Schafe, Ziegen, Kälber oder Fohlen fallen in ihr Beutespektrum.
Herdenschutz – aber wie?
Um ihre Tiere vor Wolfsangriffen zu schützen, sind Viehbesitzer in vielen Gegenden gezwungen, Herdenschutzmaßnahmen zu ergreifen – die aber oft aufwendig und trotz der Zuschüsse der Regierung für manche kaum bezahlbar sind. Dies gilt beispielsweise für eine Beschäftigung von Schäfern, die rund um die Uhr im Einsatz sind – jede Herde würde mindestens drei Personen erfordern. Herdenschutzhunde sind eine günstigere Alternative, aber sie erfordern eine entsprechende Schulung und in der Nähe von menschlichen Siedlungen oder anderen Hunden kommt es leicht zu Konflikten.
Die naheliegendste und wahrscheinlich am häufigsten eingesetzte Herdenschutzmaßnahme sind daher Zäune. Das Problem jedoch: Einen „wolfssicheren” Zaun, der den ökologischen und ökonomischen Ansprüchen von Landwirtschaft, Tierhaltern und Gesellschaft genügt, gibt es bislang nicht. Elektrozäune sind oft lückenhaft und funktionieren bei Dürre oder Frost nur eingeschränkt. Massiv gebaute Zäune aus Holz oder Metall sind zwar stabiler, aber sehr aufwendig und teuer. Zudem zerschneiden sie die Landschaft und dürfen in Landschaftsschutzgebieten nur bedingt aufgestellt werden. In Regionen mit besonderen Bedingungen wie Deichen, Naturschutzgebieten und flachgründigen Böden sind zusätzliche Sicherungen durch Pfähle oder Untergrabungsschutz zudem oft nicht möglich.
Ziel ist der “mitdenkende” Zaun
Abhilfe schaffen soll nun eine Hightech-Version des normalen Wolfsschutzzauns, an dem Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Gießen sowie des Unternehmens RoFlexs zurzeit arbeiten. In ihrem Projekt “mAInZaun” entwickeln sie einen Weidezaun, der mit Hilfe künstlicher Intelligenz Wölfe erkennt und vertreibt. Dafür soll der Zaun mit Sensoren ausgerüstet sein, auf deren Daten basierend ein lernfähiges Computersystem erkennen kann, wer sich gerade dem Zaun nähert. Die dafür nötigen Sensoren und weitere Bauteile verfügen über eine eigene Stromversorgung, sodass sie auch unabhängig von einem schon vorhandenen Elektrozaun einsetzbar sind. Sogar ganz ohne Zaun als mechanische Sperre könnte das System als ein Frühwarnsystem vor Wölfen dienen.
„Das System baut auf vorhandenen Technologien auf, muss aber dennoch einige Hürden überwinden, um praxistauglich zu werden“, erklärt Anna Förster vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. „Die Sensorik und die Vergrämungslösungen sollen kostengünstig, digital steuerbar und vor allem energieeffizient sein, weil der mAInZaun ohne externe Energiequellen auskommen muss. Gleichzeitig müssen diese Lösungen aber auch sehr genaue Ergebnisse liefern: „Es dürfen natürlich keine Weidetiere, Menschen oder Hunde zu Schaden kommen”, erklärt Uta König von Borstel von der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Individuell angepasste Vergrämung
Hat das KI-System einen Wolf oder auch anderen unbefugten Eindringling am Zaun erkannt, sendet er eine Meldung an den Tierhalter oder andere Zuständige und beginnt parallel dazu mit den zuvor programmierten Vergrämungsmaßnahmen. Weil Wölfe sehr intelligent und anpassungsfähig sind, muss der intelligente Zaun dafür verschiedene Vergrämungsvarianten in petto haben – sonst merken die Wölfe schnell, dass ihnen keine schlimmen Folgen drohen. „Es stellt eine der größten Herausforderungen in diesem Projekt dar, die Vergrämungsmethoden so zu entwickeln, dass sie kurz- wie auch langfristig effektiv bleiben“, sagt König.
Ein Weg dahin könnte die individuelle Reaktion auf die einzelnen Wölfe sein: “Unser Ziel ist es zum Beispiel, dass die KI nicht nur die Unterscheidung von Wölfen und anderen Tierarten lernt, sondern auch von einzelnen Wölfen untereinander. So können die Vergrämungslösungen individualisiert werden, damit sich einzelne Tiere nicht an bestimmte Abwehrmethoden gewöhnen“, erklärt Förster. Noch hat die Entwicklung des intelligenten Zauns erst begonnen. Das Team ist aber zuversichtlich, schon bald erste Prototypen entwickeln zu können.
Quelle: Universität Bremen