Mikroplastik ist nicht nur überall in der Umwelt und sogar in uns – es kann auch zum Träger für andere Schadstoffe werden. Forscher haben herausgefunden, dass die winzigen Plastikpartikel teils giftige Metalle anreichern können. Je kleiner das Mikroplastik ist, desto mehr Metall lagert sich an ihm an. Werden die Teilchen dann über Nahrung oder Trinkwasser aufgenommen, setzen sie ihre Metallfracht im Verdauungstrakt wieder frei.
Mikroplastik treibt in Meeren, Seen und Flüssen, verschmutzt die Böden und fliegt sogar in der Luft herum. Die kleinen, nur Mikrometer bis Millimeter großen Kunststoffpartikel aus zerfallenem Plastikmüll sind inzwischen nahezu allgegenwärtig. Tests zeigen, dass auch wir Menschen diese Partikel mit der Nahrungskette und über das Trinkwasser in uns aufnehmen. Welche gesundheitlichen Folgen das Mikroplastik hat, ist bislang noch kaum geklärt. Deutlicher allerdings wird immer mehr eine weitere Gefahr: Die Plastikpartikel können auch andere Schadstoffe anreichern, transportieren und freisetzen.
Vehikel für Arsen, Blei und Co
Bekannt ist bereits, dass das Mikroplastik in Gewässern vermehrt von krankmachenden Bakterien besiedelt wird und auch organische Schadstoffe anreichern kann. Ob Ähnliches auch für gelöste Metalle gilt, haben nun Lars Hildebrandt vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht und seine Kollegen untersucht. Dafür testeten sie im Labor zunächst, wie gut sich 55 verschiedene Metalle und Halbmetalle an Plastikpartikeln aus Polyethylen und Polyethylenterephthalat (PET) anlagern. “In Hinblick auf die Verschmutzung von Wasser mit Plastik spielen die beiden von uns untersuchten Kunststofftypen eine wichtige Rolle”, erklärt Hildebrandt. Denn beide sind besonders häufig: Polyethylen wird unter anderem für Plastiktüten verwendet, PET für Plastikgetränkeflaschen.
Das Ergebnis: Ein Teil der Metalle zeigte eine schnelle und hohe Anlagerung an das Mikroplastik. Zu diesen stark angereicherten Elementen gehörten Arsen, Eisen, Blei, Chrom, Zinn und viele Seltenerdmetalle, wie das Team berichtet. Andere Metalle und Halbmetalle wie Kupfer, Kobalt oder Cadmium lagerten sich dagegen nur wenig oder gar nicht an die Kunststoffteilchen an. „Bei den Untersuchungen haben wir festgestellt, dass die Anreicherung umso stärker ist, je kleiner die Partikel sind”, sagt Hildebrandt. Zudem banden die Polyethylen-Partikel deutlich mehr Metalle an sich als das PET.
Metallfracht wird im Magen wieder freigesetzt
Diese Beobachtungen wecken die Frage, was mit diesen angelagerten Metallen passiert, wenn ein Mensch oder Tier das kontaminierte Mikroplastik aufnimmt. Um das zu testen, gaben die Wissenschaftler die angereicherten Partikel in Lösungen, die die chemischen Bedingungen der Verdauungssäfte nachbildeten – beispielsweise in Form eines niedrigen – sauren – pH-Werts. Es zeigte sich: Schon bei einem gemäßigt sauren Milieu setzte das Mikroplastik Elemente wie Arsen, Blei, Zinn, Tellur, Vanadium und die Seltenerdmetalle schnell wieder frei. Bei pH-Werten, wie sie im menschlichen Magen herrschen, gaben die Partikel ihre gesamte Elementfracht an ihre Umgebung ab.
“Unser Versuchsaufbau im Labor war zwar vereinfacht und ohne Modellorganismen. Trotzdem liefern die Ergebnisse wichtige Hinweise darauf, dass Mikroplastikpartikel, wenn sie vom Körper aufgenommen werden, als eine Art Trojanisches Pferd für Metalle fungieren und diese so eventuell verstärkt in Organismen eintragen werden können”, zieht Lars Hildebrandt. Das Mikroplastik könnte damit erheblich dazu beitragen, potenziell schädliche Metalle und Halbmetalle in die Nahrungsketten einzubringen.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Hereon; Fachartikel: Journal of Hazardous Materials Letters, doi: 10.1016/j.hazl.2021.100035