Plastik ist bekanntermaßen schwer abbaubar. Bakterien, Pilze und Archaeen im Pansen eines Rinds könnten dabei aber entscheidende Helfer sein, wie Forscher herausgefunden haben. Demnach ist gerade die Gemeinschaft der Mikroben im Rindermagen besonders effektiv, um synthetische Polyester wie das in Plastikflaschen oder Verpackungen genutzte PET zu zersetzen. Damit könnten die Mikroorganismen eine umweltfreundliche Möglichkeit bieten, künftig Plastikmüll zu reduzieren.
Im Pansen, dem ersten und größten der vier Rindermägen, leben Milliarden verschiedenartiger Bakterien und Pilze. Diese verarbeiten unter anderem Harnstoff, der aus der Blutbahn in den Pansen eintritt, zur Proteinbiosynthese. Besonders wichtig für die Tiere sind zudem Mikroorganismen, die mit Enzymen die langkettigen Moleküle der für die Rinder sonst unverdaulichen Pflanzenfasern zersetzen. Ohne diese Hilfe könnte das Rind seine Nahrung kaum verwerten.
Plastikfutter für Pansen-Bakterien
Die Fähigkeit, die die langkettigen pflanzlichen Moleküle abzubauen, könnte die Bakterien im Rinderpansen auch für den Kunststoffabbau interessant machen. Wissenschaftler um Felice Quartinello von der Universität für Bodenkultur in Wien haben daher untersucht, ob diese Bakterien womöglich auch schwer abbaubare Plastikfasern zersetzen können. „Im Pansen-Reticulum lebt eine riesige mikrobielle Gemeinschaft, die für die Verdauung der Nahrung in den Tieren verantwortlich ist, daher vermuteten wir, dass einige biologische Aktivitäten auch für die Polyester-Hydrolyse genutzt werden könnten”, so Quartinellos Kollegin Doris Ribitsch.
Um ihre Hypothese zu prüfen, untersuchten die Forscher die Pansenflüssigkeit eines geschlachteten Rinds auf Polyester-abbauende Bakterien und deren Enzyme. Dazu gaben sie drei Arten von Polyestern in die Flüssigkeit: Das synthetische Polymer Polyethylenterephthalat (PET), das unter anderem in Plastikflaschen und Verpackungen verwendet wird, der biologisch abbaubare Kunststoff Polybutylenadipat-Terephthalat (PBAT), der meist in kompostierbaren Plastiktüten vorkommt und das biobasierte Material Polyethylenfuranoat (PEF), das für Lebensmittelverpackungen angewendet wird. Bei allen drei Kunststoffen testeten Quartinello und ihr Team, wie effektiv sie von den Pansen-Mikroorganismen sowohl in Pulver- als auch Folienform abgebaut werden.
Alle drei Kunststoffe abgebaut
Das Ergebnis: Alle drei Kunststoffe konnten von den Mikroben aus den Rindermägen zersetzt werden. Dabei fiel den Wissenschaftlern auf, dass die Polyester schneller abgebaut wurden, wenn ihre Polymerketten flexibel waren, da sie so den Zugang für die bakteriellen Enzyme erleichterten. Zudem wurden alle drei Kunststoff-Pulver schneller aufgelöst als die Folien. „Wie erwartet, war die Hydrolyse von Pulvern im Vergleich zu Folien aufgrund des höheren Oberflächen-Volumen-Verhältnisses schneller“, erklären die Forscher.
So wurden beispielsweise innerhalb von 72 Stunden aus der PET-Folie 0,25 und aus dem PET-Pulver sogar 0,6 Millimol an Hydrolyseprodukten freigesetzt. Bei dem PBAT-Pulver war die Menge mit 0,75 Millimol um etwa 25 Prozent höher als bei der Folie. Die beim PEF-Pulver größte Menge von rund fünf Millimol freigesetzter Abbauprodukte war sogar mehr als das Fünffache der Produkte der PEF-Folie. Zudem stellte das Forscherteam fest, dass der Plastikabbau der gesamten Mikrobengemeinschaft in der Pansenflüssigkeit effektiver war als es frühere Studien nahelegten, bei denen nur einzelne Mikroorganismen auf die Fähigkeit untersucht wurden, wie gut sie Kunststoff abbauen.
Erst im Zusammenwirken effektiv
Damit deuten die Ergebnisse darauf hin, dass nicht nur ein bestimmtes Enzym für den Abbau der Polyester verantwortlich ist, sondern dass erst der von der mikrobiellen Gemeinschaft im Rinderpansen freigesetzte Enzymcocktail für den effektiven Plastikabbau sorgt. Beteiligt am Abbau des Kunststoffs in der Pansenflüssigkeit könnten laut der Wissenschaftler unter anderem die sehr häufig vorkommenden Spezies der Gattung Pseudomonas sein. „Diese Bakterien sind dafür bekannt, dass sie in der Lage sind, verschiedene hydrolytische Aktivitäten auszuüben“, so die Forscher. Ähnliches gilt auch für die Bakterienarten der Gattung Acinetobacter sowie für Aspergillus- oder Penicillium-Pilzspezies und Einzeller wie Methanocorpusculum labreanum.
In Zukunft sollen weitere, größer angelegte Forschungen folgen, um mehr über mikrobielle Gemeinschaften als potenziell umweltfreundliche Kunststoff-Zersetzer zu erfahren, so Quartinello und ihr Team. „Aufgrund der großen Menge an Pansen, die jeden Tag in Schlachthöfen anfällt, wäre eine Hochskalierung leicht vorstellbar“, schätzt Ribitsch. Damit könnten in Zukunft unter anderem die bei dem Abbau des Kunststoffs beteiligten Mikrobenarten genauer identifiziert und im Labor kultiviert werden.
Quelle: Frontiers, Fachartikel: Frontiers in Bioengineering and Biotechnology, doi: 10.3389/fbioe.2021.684459