Um im Chor quakender Frösche potenzielle Partner der eigenen Art zu identifizieren, haben amerikanische Laubfrösche eine außergewöhnliche Strategie entwickelt: Blähen sie ihre Lunge auf, reduziert das die Empfindlichkeit ihres Trommelfells für Quak-Geräusche anderer Arten. Die Rufe der potenziellen Paarungspartner sind dadurch deutlicher wahrzunehmen. Ein ähnliches Prinzip kommt bei einigen Hörgeräten und Cochlea-Implantaten zum Einsatz, die es ihren Trägern ermöglichen sollen, trotz lauter Umgebung Stimmen zu verstehen.
Sucht ein männlicher Frosch eine Partnerin, versucht er, sie mit lautem Quaken anzulocken. Doch im Chor der Frösche quaken viele verschiedene Arten. Um sich erfolgreich fortpflanzen zu können, ist es für die Weibchen deshalb wichtig, Männchen der eigenen Art anhand ihrer Lockrufe von solchen anderer Arten unterscheiden zu können. Doch wie gelingt es ihnen, in der Geräuschkulisse des Froschkonzerts die richtigen Rufe herauszuhören und zu lokalisieren?
Lunge als Schalldämpfer
Forscher um Norman Lee vom St. Olaf College in Minnesota haben nun herausgefunden, dass dabei die Lunge der Frösche eine entscheidende Rolle spielt. Mithilfe eines Laser-Vibrometers, das Schwingungen berührungslos aufzeichnet, maßen Lee und Kollegen die Reaktionen des Trommelfells von 25 amerikanischen Laubfroschweibchen, denen sie die Quaklaute verschiedener Männchen vorspielten. Dabei waren die Lungen der Weibchen mal aufgebläht, mal geleert.
Das Ergebnis: Waren die Lungen mit Luft gefüllt, reagierte das Trommelfell schwächer auf die Rufe von artfremden Männchen. Das Quaken von Männchen der eigenen Art hörten die Froschweibchen dagegen unabhängig vom Lungenstatus immer gleich laut. „Im Wesentlichen heben die Lungen die Reaktion des Trommelfells auf Störgeräusche auf, insbesondere auf einen Teil der Geräusche, die in einem kakophonischen Chor zur Fortpflanzungszeit auftreten, wenn die Männchen verschiedener Arten gleichzeitig quaken“, erklärt Lee.
Parallelen zu moderner Hörgeräte-Akustik
In der Technik ist dieses Prinzip als spektrale Kontrastverstärkung bekannt. Im Spektrum verschiedener Geräusche werden dabei bestimmte Frequenzen gedämpft, andere hervorgehoben. Zum Einsatz kommt diese Methode zum Beispiel auch bei Cochlea-Implantaten und einigen Hörgeräten. Das soll es den Trägern erleichtern, auch bei vielen Nebengeräuschen Gesprächen folgen zu können. „Bei Hörgeräten sind diese Algorithmen meist so konzipiert, dass sie die Frequenzen verstärken, die in menschlicher Sprache vorkommen, oder andere Frequenzen abschwächen, in manchen Fällen auch beides“, erklärt Co-Autor Mark Bee von der University of Minnesota-Twin Cities.
Um besser zu verstehen, wie die Laubfrösche diesen Effekt erreichen, erstellten die Forscher ein physiologisches Modell der Schallverarbeitung im Innenohr der Frösche. Demnach ist es bereits so gebaut, dass es am besten auf Rufe der eigenen Art reagiert. Diese Abstimmung wird durch die Lunge verfeinert: Die gefüllte Lunge schwingt als Reaktion auf Schall mit und überträgt die Schwingung an das Innenohr. Eine solche akustische Verbindung findet sich nur bei Amphibien. Durch die Lungenschwingung entsteht eine Art Gegenschall, der Frequenzen, die nicht den Rufen der eigenen Art entsprechen, unterdrückt. „Wir glauben, dass der physikalische Mechanismus im Prinzip ähnlich ist wie die Funktionsweise von Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung“, sagt Bee.
Womöglich auch bei anderen Froscharten verbreitet
Die Forscher gehen davon aus, dass nicht nur amerikanische Laubfrösche diese Taktik des selektiven Hörens nutzen, sondern auch viele andere Froscharten. Doch woher „weiß“ die Lunge, welche Frequenzen sie jeweils herausfiltern muss? Den Autoren zufolge hängt sowohl die Quak-Frequenz als auch die Lungenschwingung der Frösche mit ihrer Größe und ihrem Lungenvolumen zusammen. Raffinierte Mechanismen der Evolution haben dazu geführt, dass Lungenschwingung und Quak-Frequenz der jeweiligen Art sich optimal ergänzen.
„Die Ergebnisse zeigen die erstaunliche Fähigkeit der Evolution, bestehende Anpassungen für neue Funktionen zu nutzen“, schreiben die Forscher. „Außerdem zeigt dieses Beispiel, wie die Natur menschlichen Ingenieuren zuvorkommt, wenn es darum geht, clevere Lösungen für weit verbreitete Probleme zu finden.“
Quelle: Norman Lee (St. Olaf College, Northfield, Minnesota) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2021.01.048