Dünger und Gülle bringen nicht nur zu viel Nitrat in unsere Böden und Gewässer. Beim Abbau des Stickstoffdüngers setzen Bodenmikroben auch das starke Treibhausgas Lachgas frei. Jetzt jedoch haben Forscher Bakterien identifiziert, die bei der Nitrifikation viel weniger Lachgas freisetzen. Würde man diese sogenannten “Comammox”-Bakterien gezielt fördern, könnte die Landwirtschaft klimafreundlicher werden.
Um die Menschheit mit Nahrung zu versorgen, muss der Pflanzenanbau möglichst gute Erträge bringen. Das bedeutet, dass Landwirte ihre Felder düngen müssen, um ein möglichst optimales Pflanzenwachstum zu erreichen. Doch gerade in Deutschland werden meist mehr Stickstoffdünger und Gülle ausgebracht als die Pflanzen aufnehmen können. Als Folge reichern sich Böden und Gewässer mit Nitrat an, was zur Überdüngung von Seen und Flüssen und zur Verschmutzung des Grundwassers führt.
Lachgas aus gedüngten Böden
Doch die Stickstoffdüngung verursacht noch ein Problem: Wenn Bodenbakterien im Zuge der Nitrifikation das Ammonium aus dem Dünger in Nitrit und dann Nitrat umwandeln, setzen sie Lachgas frei – chemisch Distickstoffmonoxid (N2O). Wenn dieses Gas jedoch in die Atmosphäre gelangt, entfaltet es dort eine 300-mal stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid und trägt zur Ozonzerstörung bei. Besonders stark ist die Lachgas-Freisetzung unter sauerstoffarmen Bedingungen, wie sie in gedüngten Böden nach Niederschlägen, aber auch in Feuchtgebieten oder Kläranlagen vorkommen.
“Anthropogenen Emissionen von Lachgas machen rund 30 bis 45 Prozent der Gesamtfreisetzung aus”, erklären Dimitri Kits von der Universität Wien und seine Kollegen. “Zwei Drittel davon stammen aus der Landwirtschaft – und ihr Anteil wird in Zukunft wahrscheinlich noch steigen, weil immer mehr Stickstoffdünger für die Nahrungsproduktion eingesetzt wird.” Wissenschaftler suchen deshalb nach Wegen, um die Lachgas-Freisetzung durch die Nitrifikation zu verringern – beispielsweise durch die gezielte Beeinflussung der Bodenmikroben.
Alles in einer Zelle
Einen solchen Weg könnten nun Kits und seine Kollegen gefunden haben. Sie haben den Stoffwechsel einer erst 2015 entdeckten Bakterien-Gruppe entdeckt, der sogenannten Comammox-Bakterien. Diese Mikroben der Gattung Nitrospira kommen in vielen Böden, Gewässern und Kläranlagen vor. Sie haben die Besonderheit, dass sie die Umwandlung von Ammonium zu Nitrat komplett selbst in ihren Zellen erledigen können. Andere Bakterien müssen dazu in einem zweischrittigen Prozess mit anderen Mikrobenarten zusammenarbeiten. Der Clou dabei: Wenn der gesamte Prozess in einer Zelle stattfindet, könnte auch weniger Lachgas freiwerden. Ob das tatsächlich der Fall ist, haben nun die Forscher erstmals näher untersucht.
Das Ergebnis: “Schon als wir die ersten Messwerte sahen, waren wir begeistert”, sagt Kits Kollege Holger Daims. “Die Comammox-Bakterien setzen viel weniger Lachgas frei als die meisten anderen Nitrifikanten, die bislang untersucht wurden”. Gleichzeitig ergaben die Analysen, dass diese Bakterien selbst unter sauerstoffarmen Bedingungen nicht auf Lachgasproduktion umschalten. “Und die geringe dennoch entstehende Menge Lachgas erzeugen die Comammox-Bakterien gar nicht selbst – ihnen fehlen die dazu notwendigen Enzyme”, erklärt Co-Autor Michael Wagner von der Universität Wien. “Das Lachgas entsteht nur durch chemische Reaktionen aus Hydroxylamin, einer Substanz, die Comammox-Bakterien in ihre Umgebung abgeben.”
Hilfe für das Lachgas-Problem?
Nach Ansicht der Forscher könnten damit die Comammox-Bakterien möglicherweise das Lachgas-Problem der Landwirtschaft und Kläranlagen mindern helfen. “Wenn es gelingt, gezielt das Wachstum von Comammox-Bakterien an Stelle der anderen Nitrifikanten zu fördern, lassen sich die Lachgas-Emissionen in Böden und Kläranlagen vielleicht vermindern”, sagt Kits. “Aber dafür muss noch Forschungsarbeit geleistet werden – schließlich wurden Comammox-Bakterien erst vor kurzem entdeckt und wir wissen wenig über die Bedingungen, welche sie für ein optimales Wachstum benötigen.” Die Forscher betonen jedoch auch, dass diese Mikroben allein die Stickstoff-Problematik nicht lösen können. Auch die Landwirtschaft muss ihre Düngepraxis ändern.
Quelle: Universität Wien; Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-09790-x