Eingeschleppt aus Afrika: Einst wurde der Krallenfrosch in europäischen Apotheken für Schwangerschaftstests eingesetzt – nun macht er sich in der Natur breit. Dabei ist sein invasives Potenzial bedrohlicher als gedacht, berichten nun Forscher: Aus ihrem neuen Ansatz zur Einschätzung der Eignung von Lebensräumen geht hervor, dass die möglichen Ausbreitungsgebiete in Europa doppelt so groß sind wie bisher angenommen. Demnach könnten sich die Krallenfrösche noch viele weitere Gebiete in Süd- und Westeuropa erobern und auch in Teilen Deutschlands könnten die problematischen Lurche die Ökosysteme bedrohen.
Über seine südafrikanische Heimat hinaus hat sich der Krallenfrosch (Xenopus laevis) vor allem durch seinen Einsatz als „lebendiger Schwangerschaftstest“ verbreitet. Bis in die 1960er Jahre wurden weiblichen Tieren Urinproben von Frauen gespritzt. Enthielten sie Schwangerschaftshormone, produzierten die Frösche anschließend innerhalb nur eines Tages Eier. Durch diesen Einsatz als Nachweissystem bekam der in Aquarien leicht zu haltende Lurch den Spitznamen Apothekerfrosch. Auch heute ist der bis zu 13 Zentimeter große Krallenfrosch noch ein beliebtes Versuchstier in verschiedenen Forschungsbereichen.
Vom Apothekerfrosch zum problematischen Eroberer
Doch seine Verbreitung außerhalb seiner Heimat Afrika geht mittlerweile weit über die Labore hinaus. Entkommene oder ausgesetzte Krallenfrösche konnten sich in vielen Teilen der Welt in der freien Natur etablieren. In Europa sind vor allem Populationen in Frankreich, Italien und Portugal bekannt. In diesen Ländern richten sie als Nahrungskonkurrenten und Fressfeinde großen Schaden an den dortigen Ökosystemen an. Zudem gilt der Krallenfrosch als Überträger des für viele Amphibien tödlichen Chytridpilzes (Batrachochytrium dendrobatidis), der als eine der Hauptursachen des weltweiten Amphibiensterbens gilt. Der Krallenfrosch ist unempfindlich gegenüber einer Infektion mit dem Erreger. Dadurch kann er ihn besonders intensiv verbreiten.
Doch wie wird es nun weitergehen – inwieweit hat der Krallenfrosch sein Ausbreitungspotenzial in Europa schon ausgeschöpft? Bisherige Prognosen auf der Grundlage von Modellen zur Einschätzung von
Gebieten, die sich durch ihre Bedingungen für eine Ausbreitung eignen, ergaben ein vergleichsweise kleines Potenzial. Doch wie nun aus den Ergebnissen der Forscher um Philipp Ginal vom Zoologischen Forschungsmuseum Koenig in Bonn hervorgeht, wird das Risiko weit unterschätzt. „Mit unserem neuen Ansatz konnten wir durch Laborversuche die kritischen Minimal- und Maximal-, sowie Optimaltemperaturen ermitteln, unter denen der Frosch überleben kann“ erklärt Ginal die neue Vorgehensweise. Sein Kollege Dennis Rödder führt weiter aus: „Durch den innovativen methodischen Ansatz war es sogar möglich, die physiologischen Limits verschiedener Entwicklungsstadien, wie Kaulquappen und erwachsene Frösche, in das Model einzuspeisen, was vorher ebenfalls nicht möglich war“, erklärt der Wissenschaftler.
Noch viel Raum für die Ausbreitung
Die Ergebnisse zeigen, dass in Europa teils weite Gebiete für den Krallenfrosch geeignet sind. Die vorherigen Methodenansätze hatten dagegen lediglich maximal die Hälfte der Fläche vermuten lassen. Insbesondere Süd- und Westeuropa sind laut den Modellen der Forscher besonders gut für den Lurch geeignet. Aber auch vereinzelte Gebiete in Deutschland scheinen den klimatischen Anforderungen des Froschs zu entsprechen. Um die Zuverlässigkeit ihres Modells zu verdeutlichen, speisten die Wissenschaftler auch klimatische Daten aus dem südlichen Afrika in ihr Berechnungssystem ein. So konnten sie zeigen, dass die theoretisch vorausgesagte Eignung von Lebensräumen in Afrika mit der natürlichen Verbreitung der Krallenfrösche in ihrer ursprünglichen Heimat übereinstimmt.
Den Forschern zufolge werfen die Ergebnisse somit ein neues Licht auf die Bewertung des Invasionsrisikos des Krallenfrosches. Wie sie abschließend berichten, scheinen sich ihre Einschätzungen auch bereits in Anzeichen widerzuspiegeln, dass sich die invasiven Frösche vor allem in Frankreich momentan stark ausbreiten. In zukünftigen Untersuchungen planen die Wissenschaftler nun auch die weitere Anpassungsfähigkeit dieser Tiere an das europäische Klima auszuloten. Dies könnte das Bedrohungspotenzial klarer aufzeigen und möglicherweise zu Maßnahmen führen, die den Vormarsch in Europa besser als bisher eindämmen.
Quelle: Zoologisches Forschungsmuseum Koenig, Fachartikel: Journal of Experimental Zoology Part A Ecological and Integrative Physiology, doi: 10.1002/jez.2432