Das Great Barrier Reef ist eines der großen Naturwunder der Erde. Doch wiederholte Korallenbleichen haben seine Riffe stark geschädigt. Bisher hoffte man, dass der massenhaft produzierte Korallennachwuchs die Lücken schnell wieder füllt. Das aber erweist sich nun als Irrtum. Denn wie Forscher herausgefunden haben, hat die Wiederbesiedlung der Riffe durch Jungkorallen nach der letzten Bleiche um fast 90 Prozent abgenommen. Dieser Kollaps deutet darauf hin, dass die Regenerationsfähigkeit des Great Barrier Reefs und anderer Korallenriffe geringer ist als erhofft.
Das Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens erstreckt sich über mehr als 2300 Kilometer Länge und ist damit das größte Korallenriffgebiet der Erde – und die größte von Lebewesen erschaffenen Struktur unseres Planeten. In dem Naturwunder leben hunderte Korallenarten und bilden einen Lebensraum für unzählige Fische und andere Meerestiere. Doch wie viele andere Korallenriffe weltweit ist auch das Great Barrier Reef in den letzten Jahren gleich mehrfach von der Korallenbleiche getroffen worden. Allein 2016 starben dabei stellenweise bis zu 90 Prozent der Korallen ab. Weil aber Korallen sehr viele Larven produzieren, hoffte man bisher, dass die kahlen Stellen schnell wieder durch einwandernde Korallenlarven besiedelt werden würden.
Wiederansiedlung von Korallenlarven im Test
“Man glaubte, dass die Widerstandsfähigkeit des Great Barrier Reefs durch seine schiere Größe und die Kapazität der intakten Riffbereiche für Nachkommen begünstigt wird”, sagen Terry Hughes vom ARC Centre of Excellence for Coral Reef Studies in Queensland und seine Kollegen. Ob das berühmte Riff sich wirklich so leicht wieder von einer Bleiche erholen kann, haben Hughes und sein Team nun näher untersucht. Für ihre Studie werteten sie die Ansiedlung von Korallenlarven auf speziellen Testplatten aus, die von 1996 an regelmäßig in 13 Riffen des Great Barrier Reefs ausgelegt worden waren. Dadurch konnten die Forscher beobachten, wie sich der Nachwuchs an Jungkorallen vor und nach den Korallenbleichen der letzten Jahre entwickelt hat – und wie effektiv die Wiederbesiedlung nach solchen Massensterben abläuft.
“Im Bereich des Indo-Pazifik gehören 90 Prozent der Riffkorallen zu den sogenannten Spawnern”, erklären die Biologen. Diese Arten setzen geballt und gleichzeitig ihre Eier und Spermien frei. Nach einer externen Befruchtung entwickeln sich aus dem Laich Korallenlarven, die sich dann vier bis sieben Tage später in ihrer neuen Heimat irgendwo im Riff festsetzen. Die anderen Korallen sind sogenannte “Brüter”, die die schon entwickelten Larven freisetzen. Diese jedoch siedeln meist in unmittelbarer Umgebung ihrer Eltern. “Die Menge der Korallenlarven, die jedes Jahr produziert werden, und die Strecke, die sie vor ihrem Festsetzen im Riff zurücklegen, sind entscheidende Komponenten für die Widerstandsfähigkeit des Great Barrier Reef”, erklärt Co-Autor Andrew Baird vom ARC.
Kollaps beim Nachwuchs
Doch ausgerechnet in diesem Punkt haben die Massensterben der vergangenen Jahre offenbar eine weit größere Schadwirkung als bisher angenommen: Die Auswertungen der Besiedlungsplatten ergaben, dass nach den schweren Korallenbleichen von 2016 und 2017 auch die Larvenproduktion der Korallen nahezu kollabierte. Die Zahl der Neuansiedlungen von Larven sank im Jahr 2018 um 89 Prozent. Im langfristigen Vergleich hat sich die Zahl der auf den Platten siedelnden Jungkorallen von 43 pro Platte im Jahr 1996 auf nur noch 4,9 pro Platte im Jahr 2016 reduziert, wie die Forscher berichten. “Diese Abnahme der Korallenansiedlung passt zum Ausmaß der Mortalität unter den fortpflanzungsfähigen Erwachsenen in verschiedenen Teilen des Riffs”, sagt Hughes. Die Gebiete, in denen die meisten Korallen abgestorben sind, hatten auch die größten Rückgänge bei der Wiederbesiedlung.”
Überproportional stark betroffen sind dabei ausgerechnet die “Spawner” – und damit die Korallenarten, deren Larven auch etwas weiter entfernte Riffbereiche erreichen können. Ihre Zahl ging auf nur knapp sieben Prozent der früheren Werte zurück, während die lokalen “Brüter” immerhin noch gut 36 Prozent ihrer früheren Dichte behielten. “Damit hat sich die Mischung der Arten bei den Babykorallen verschoben und dadurch wird sich auch die zukünftige Zusammensetzung der adulten Korallen im Riff verändern”, sagt Baird. Das könnte die Regeneration toter Riffbereiche durch Nachwuchs aus benachbarten Gebieten noch zusätzlich verlangsamen. Zu dieser Annahme passt die Beobachtung der Forscher, dass nach der letzten Korallenbleiche kaum Jungkorallen vom weniger geschädigten Süden des Riffs in den stark betroffenen Norden gelangten.
Regeneration erfolgt langsamer
Nach Ansicht der Wissenschaftler schmälern ihre Erkenntnisse die Hoffnung auf eine schnelle Regeneration des Great Barrier Reefs und vieler anderer tropischer Riffe. “Der Kollaps der Wiederbesiedlung deutet darauf hin, dass die Regeneration nach einer Bleiche deutlich langsamer abläuft als nach einem Zyklon”, sagen die Forscher. “Es wird mindestens ein Jahrzehnt dauern, bis die schnellsten Korallenarten sich wieder erholt haben und viel länger für die langlebigeren und langsam wachsenden Spezies.” Ob den Korallen des Great Barrier Reefs eine solche Erholungspause bleibt, ist allerdings zweifelhaft. Denn Studien zufolge haben sich die Intervalle der Korallenbleichen in diesem Riffgebiet von 25 Jahren in den 1980ern auf nur noch 5,9 Jahre seit 210 verkürzt. “Es gibt nur einen Weg, um dieses Problem zu lösen: Wir müssen die Wurzel der globalen Erwärmung angehen und so schnell wie möglich die Treibhausgasemissionen senken”, betont Hughes.
Quelle: Terry Hughes (ARC Centre of Excellence for Coral Reef Studies, James Cook University, Townsville) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1081-y