Scharfer Verstand in gefiederten Köpfchen – erneut haben die Goffin-Kakadus ihre erstaunliche Intelligenz unter Beweis gestellt: Die Vögel können Objekte nach einer bestimmten Vorlage aus dem Gedächtnis nachbauen, um sie als eine Art Werkzeug einzusetzen. Dabei passen sie Farbe und Größe an ihre Erinnerung an, geht aus der experimentellen Studie hervor. Die Kakadus haben demnach ein imaginäres Modell der Vorlage im Kopf, das sie „bastlerisch“ umsetzen können. Dabei handelt es sich um kognitive Leistungsfähigkeiten, die mit denen von Primaten vergleichbar sind, sagen die Verhaltensforscher.
Neben den Rabenvögeln sind sie die gefiederten Stars der Kognitionsforschung: Viele Studien belegen bereits die erstaunlichen Fähigkeiten der Goffin-Kakadus (Cacatua goffiniana) – vor allem was ihren Werkzeuggebrauch angeht. Sie können Objekte wie Stöckchen oder Papierstreifen nicht nur clever einsetzen, sondern diese Werkzeuge auch selber herstellen. Es zeichnet sich bei diesen Papageienvögeln ein Intelligenzniveau ab, das sich mit dem von Menschenaffen messen kann. Die Verhaltensforscher um Alice Auersperg von der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben bereits viele faszinierende kognitive Fähigkeiten der Goffin-Kakadus aufgedeckt. In ihrer aktuellen Studie haben sie sich nun der Frage gewidmet, inwieweit die Vögel zu einer speziellen Intelligenzleistung fähig sind: zum sogenannten Recall – dem aktiven Reproduzieren einer Information aus dem Gedächtnis.
Vorlagen erscheinen vor unserem geistigen Auge
Wie diese Fähigkeit beim Menschen funktioniert, wird an einem Beispiel deutlich: Werden wir gebeten, etwa eine Kirsche zu zeichnen, rufen wir uns diese Frucht ins Gedächtnis und sehen ihre Form und Farbe vor unserem imaginären Auge. Dann nehmen wir einen roten Stift, malen ein kugelförmiges Gebilde und mit einem zweiten vielleicht noch einen grünen Stiel dazu. Wir können uns also komplexe Dinge durch mentale Bilder vorstellen und deren Merkmale aus dem Gedächtnis reproduzieren. Es ist bereits bekannt, dass sich auch Affen die Formen von zweidimensionalen Objekten merken und diese anschließend nachkonstruieren können. Was Vögel betrifft, waren vergleichbare Fähigkeiten bisher nur von Neukaledonischen Krähen bekannt. Doch wie die Forscher betonen, sind diese Rabenvögel darauf spezialisiert, mit selbst hergestellten Werkzeugen nach schmackhaften Larven zu angeln, die in Holzlöchern verborgen sind. So stellte sich die Frage, ob auch die weniger „routinierten“ Goffin-Kakadus zu dieser Intelligenzleistung fähig sind.
Um dem nachzugehen, haben sich die Forscher die bereits bekannten Fähigkeiten der Kakadus zunutze gemacht. „Die Vögel wurden zunächst dafür belohnt, Papierstücke aus einem viereckigen Tonpapier durch aufeinanderfolgende Bisse entlang der Kantenlinie zu stanzen und den Streifen anschließend in ein Behältnis zu legen, um dafür eine Cashewnuss zu erhalten“, berichtet Erstautorin Isabelle Laumer. Um den Tieren eine Vorlage zu liefern, verteilten die Forscher dann vorgefertigte Papierstreifen in zwei unterschiedlichen Farben auf dem Tisch. Die Kakadus mussten nun nicht mehr selber basteln – sie lernten, dass sie belohnt wurden, wenn sie Stücke einer bestimmten Farbe in ein Gefäß legten.
Aus dem Gedächtnis nach-gebastelt
Danach folgte der eigentliche Test: Nun lagen auf dem Versuchstisch nur viereckige Tonpapier-Bögen in verschiedenen Farben für die Kakadus bereit. Wie die Forscher berichten, wussten sich die Vögel spontan und in logischer Weise zu helfen: Sie schnappten sich einen Papierbogen in der gleichen Farbe wie die zuvor belohnte Vorlage. Daraus knabberten sich dann ein Stück, mit dem sie für die Nuss „bezahlten“. Für die Reproduktion des Objekts hatten sie also die passende Farbe im Kopf, so die Interpretation.
Anschließend gingen die Forscher der Frage nach, ob die Kakadus auch die Größe von Vorlagen aus dem Gedächtnis anpassen können. Dazu wurden die Vögel zunächst zwei Gruppen zugeteilt und mit vorgefertigten kurzen und langen Papierstreifen aus Tonpapier trainiert: Die einen lernten die kurzen Streifen als „Währung“ für die Nuss kennen, die anderen hingegen die langen. Beim Test wurden ihnen dann wieder viereckige Tonpapiere zur eigenen Herstellung der Streifen angeboten. Es zeigte sich: „Die Kakadus fertigten tatsächlich kurze Papierstreifen an, wenn sie zuvor für das Auswählen von kurzen Streifen belohnt wurden und lange Streifen, wenn sie zuvor mit diesen Versionen Erfolg hatten. Und sie wechselten auch flexibel zum Anfertigen der jeweils anderen Vorlage, wenn wir später die jeweils andere Streifenlänge vor dem Test belohnten“, berichtet Laumer.
Die Forscher untersuchten auch, inwieweit die Tiere in der Lage sind, eine L-Form nachzubilden. Wie sie berichten, glückte dies den Tieren zwar nicht, aber sie versuchten es offenbar: „Aufgrund ihrer Stanztechnik und der Ergonomie ihres Schnabels, ist es für die Goffins sehr schwierig, geformte Objekte herzustellen. Dennoch zeigten die Tiere Unterschiede bei der Herstellung des Papierobjekts. Dreimal knickten sie spontan den Streifen bevor sie ihn einführten, sodass er durch das Knicken eine Art L-Form erhielt“, erklärt Seniorautorin Auersperg.
Die Forscher sehen in ihren Ergebnissen damit nun die Bestätigung der Fähigkeit zum Recall bei den Goffin-Kakadus. „Da auch diese Vögel in der Lage sind, Objekte in Farbe und Größe nachzubauen, scheint die Fähigkeit nicht nur bei routinierten Werkzeug-gebrauchenden Vögeln wie den Neukaledonischen Krähen vorzukommen“, resümiert Auersperg.
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien, Fachartikel: Animal Cognition, doi: 10.1007/s10071-020-01435-7