Für sie gehört die Jagd einfach dazu: Die Menschen auf den Salomonen nutzen wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten die Delfinjagd, um vor allem die begehrten Zähne dieser Meeressäuger zu erbeuten. Diese galten in ihrer Kultur lange als traditionelle Währung, wurden aber auch als Brautgeld und als Schmuck verwendet. Heute sind diese Zähne auch eine Einkommensquelle – sie werden als Schmuck-Material verkauft. Auch das Fleisch der Delfine wird verwertet – es wird gegessen. Angesichts der Intelligenz und hohen sozialen Fähigkeiten der Delfine mag dies barbarisch erscheinen, für die Bewohner der Salomonen und vor allem der Salomoneninsel Malaita ist es jedoch wichtiger Teil ihrer kulturellen Identität.
Treibjagd per Kanu
Zur Jagd auf die rund um die Salomonen heimischen Schlankdelfine (Stenella attenuata) und Ostpazifischen Delfine (Stenella longirostris) setzen die Menschen eine traditionelle Jagdtechnik ein. Bei dieser paddeln die Jäger mit 20 bis 30 Kanus aufs Meer hinaus und suchen nach Delfinen. Haben sie welche entdeckt, bilden sie mit ihren Booten eine U-förmige Treiblinie. Dabei schlagen sie abgerundete Steine zusammen, um eine Art Wall aus Unterwasserlärm zu erzeugen und treiben so die Delfine langsam Richtung Strand. Dort werden die Tiere dann getötet
Bis zum Jahr 2010 fielen so jedes Jahr mehrere hundert Delfine dieser Treibjagd zum Opfer. Dann jedoch einigten sich die Vertreter der jagenden Kommunen mit der Umweltschutzorganisation Earth Island Institute (EII) auf ein Abkommen: Die Bewohner der Salomonen verzichteten auf die Delfinjagd und bekamen dadurch finanzielle Unterstützung, um alternative Aktivitäten zu entwickeln. Das Ganze ging allerdings nicht einmal drei Jahre gut: Schon 2012 begannen die ersten Dörfer wieder, Meeressäuger zu jagen, 2013 war das Abkommen quasi wirkungslos geworden.
1.500 tote Delfine in einem Jahr
Wie viele Delfine seither wieder durch die Jagd gestorben sind, welche Folgen dies für ihre Populationen hat und was sich möglicherweise tun lässt, haben nun Marc Oremus vom South Pacific Whale Research Consortium in Neukaledonien und seine Kollegen untersucht. Sie rekonstruierten dabei nicht nur die Fangzahlen, sondern führten auch zahlreiche Gespräche mit den Delfinjägern.
Das traurige Ergebnis: Allein im Jahr 2013 wurden mehr als 1.500 Delfine durch die Jagd der Salomoner getötet, wie die Forscher berichten. Die durchschnittlichen jährlichen Fangzahlen liegen bei mehr als 800 Tieren. “Dies ist damit eine der größten Delfinjagden auf der gesamten Welt”, konstatiert Koautor Charles Baker von der Oregon State University.
Salomoner wollen weiterjagen
Als die Forscher die Salomoner fragten, warum sie wieder mit der Delfinjagd angefangen hätten, erklärten diese: “Der Jagdstopp brachte große Spannungen in die Dörfer und sie wieder aufzunehmen brachte den Frieden in die Gemeinschaft zurück.” Die Jäger ließen daher auch keinerlei Zweifel daran, dass sie die Delfinjagd weiterführen wollen. Auch eine Einführung von Fangquoten lehnten sie bisher ab. “Es war aber auch unser Eindruck, dass die Jäger sich der Auswirkungen auf den Artenschutz und die Erhaltung der Populationen durchaus bewusst waren”, berichten Oremus und seine Kollegen. Ihrer Einschätzung nach gab es durchaus Diskussionsbereitschaft.
Was aber bedeutet dies für die Zukunft? Zwar gelten die beiden an den Salomonen gejagten Delfinarten bisher nicht als vom Aussterben bedroht. Es gibt aber bereits Indizien dafür, dass die Populationen dieser Meeressäuger ausdünnen, wie die Forscher berichten: “Die Arten neigen dazu, sehr kleine, isolierte Gruppen zu bilden und auf andere Inseln im Pazifik auszuweichen.”
Was tun?
Nach Ansicht der Forscher lässt sich die Delfinjagd rund um die Salomonen momentan wahrscheinlich nicht so leicht verhindern oder abstellen. Sie plädieren aber dafür, zumindest die Jagden und die Populationen der verschiedenen Delfinarten in dieser Region künftig besser zu überwachen, um den Einfluss der Jagd auf die Bestände zu ermitteln. Dies könnte die Basis für einen neuen Versuch bilden, zu einer Einigung mit den Delfinjägern zu kommen.
“Wir sind uns natürlich bewusst, dass selbst eine Einschränkung der Jagd nicht die Tierschutzbedenken an dieser Form der Treibjagd schlechthin aus dem Wege räumen kann”, betonen Oremus und seine Kollegen. “Aber es könnte zumindest erst einmal zu einer Reduktion der betroffenen Delfine führen.”
Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.140524