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Hoppel-Gen bei Kaninchen identifiziert

Genetik

Hoppel-Gen bei Kaninchen identifiziert
Sauteur-d’Alfort-Kaninchen laufen im Handstand auf den Vorderbeinen anstatt zu hoppeln. (Bild: Carneiro M et al., 2021, PLOS Genetics)

Kaninchen, Hasen, Kängurus und einige kleine Nagetiere bewegen sich üblicherweise hüpfend fort. Bei einer seltenen Züchtung von Hauskaninchen, den Sauteur-d’Alfort-Kaninchen, ist die Koordination der Gliedmaßen allerdings so gestört, dass sie im Handstand laufen statt zu hoppeln. Mit Kreuzungsexperimenten haben Forscher nun identifiziert, welche Genvariante dafür verantwortlich ist. Demzufolge sorgt eine Mutation des sogenannten RORB-Gens für die eigentümliche Fortbewegungsart.

Um zu laufen, bedarf es einer fein abgestimmten Koordination der Gliedmaßen. Die Beine müssen in der richtigen Reihenfolge bewegt werden, wobei ihre Position jeweils mit Sinneseindrücken abgeglichen werden muss. Normalerweise werden die entsprechenden Signale im Rückenmark automatisch richtig verarbeitet, sodass die Fortbewegung ohne bewusste Kontrolle funktioniert. Die meisten Tierarten können problemlos zwischen verschiedenen Gangarten wechseln und je nach Spezies beispielsweise trotten, schleichen, galoppieren oder hüpfen.

Laufen im Handstand

Eine seltene Ausnahme bilden Sauteur-d’Alfort-Kaninchen. Dabei handelt es sich um eine spezielle Züchtung von Hauskaninchen, die vor allem durch ihre außergewöhnliche Fortbewegungsart hervorsticht: Sobald sie Tempo aufnehmen wollen, heben sie ihr Hinterteil in die Luft und laufen im Handstand auf den Vorderbeinen. Langsam gehend unterscheiden sie sich hingegen nicht von Artgenossen anderer Rassen. Forscher um Miguel Carneiro von der Universidade do Porto in Portugal haben nun die Ursache dieser Fortbewegungsstörung identifiziert: „Mit einer Kombination aus experimentellen Kreuzungen und Genomsequenzierungen haben wir gezeigt, dass eine einzelne Mutation des RORB-Gens den atypischen Gang dieser Kaninchen erklärt“, berichten sie.

Für ihre Studie kreuzten Carneiro und sein Team zunächst Sateur-d’Alfort-Kaninchen mit normalen Hauskaninchen. Von 52 Enkeln dieser Kaninchen konnten 40 normal hoppeln, zwölf dagegen liefen im Handstand. Anhand von Blutproben analysierten die Forscher das vollständige Genom aller Tiere. Dabei zeigte sich: Alle Handstand-Kaninchen hatten eine Mutation im RORB-Gen. Dieses Gen codiert für einen Rezeptor, der vor allem im Gehirn und in den peripheren Nerven vorkommt. Die Mutation sorgt dafür, dass Sateur-Kaninchen weniger funktionsfähige Rezeptoren im Rückenmark haben.

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Gen für die Verdrahtung des Rückenmarks

Nach Ansicht der Forscher können dadurch bestimmte Signale, die für die Koordination der Beine beim Hoppeln verantwortlich sind, nicht korrekt verarbeitet und weitergeleitet werden. Statt also mit beiden Hinterbeinen abzuspringen, um schnell voranzukommen, bewegen die Sateur-Kaninchen ihre Hinterbeine unkoordiniert zur falschen Zeit, was das Hoppeln unmöglich macht. Innerhalb der ersten Lebensmonate lernen sie, diesen Nachteil dadurch auszugleichen, dass sie das gesamte Hinterteil hochheben und allein auf den Vorderbeinen laufen.

Wie die genetischen Analysen zeigten, traf dies nur auf Kaninchen zu, bei denen beide Allele des Gens betroffen waren, die also von beiden Elternteilen die Sateur-Variante geerbt hatten. Bei heterozygoten Individuen, die eine mutierte und eine funktionsfähige Variante hatten, konnten die Forscher zwar etwas weniger intakte RORB-Rezeptoren nachweisen, hoppeln konnten diese Tiere aber normal.

„Diese Studie liefert ein seltenes Beispiel für ein abnormales Gangverhalten, das auf eine einzelne Basenveränderung zurückgeführt werden kann“, schlussfolgern die Autoren. „Zugleich ist es die erste Beschreibung eines Gens, das für die springende Fortbewegung benötigt wird.“ Auch bei anderen Tierarten spielt das RORB-Gen wahrscheinlich eine wichtige Rolle für die motorische Koordination. Eine frühere Studie hat bereits ergeben, dass Mäuse mit einer Mutation in diesem Gen einen watschelnden Gang an den Tag legen. „In Übereinstimmung mit früheren Studien an Mäusen unterstreicht unsere Studie die Bedeutung von RORB für die Verdrahtung des Rückenmarks“, so Carneiro und Kollegen. Sie vermuten, dass eine entsprechende Mutation auch bei Kängurus und Hasen dazu führen könnte, dass sie nicht mehr springen können.

Quelle: Miguel Carneiro (Universidade do Porto, Portugal) et al., PLOS Genetics, doi: 0.1371/journal.pgen.1009429

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