Sex dient bei ihnen nicht nur der Fortpflanzung: Die Bonobos sind für ihr komplexes und „flexibles“ Sexualverhalten berühmt. Nun haben Forscher neue Einblicke in die Bedeutung des gleichgeschlechtlichen Sex unter den Weibchen dieser Menschenaffen gewonnen. Sie konnten zeigen, wie positiv sich die intimen Kontakte auf das soziale Miteinander, einschließlich der Kooperation zwischen den Affen-Damen auswirken. Offenbar führt der gleichgeschlechtliche Sex bei ihnen sogar zu einer stärkeren Ausschüttung des Kuschelhormons Oxytocin als bei Kontakten mit Männchen.
Sie sind unsere nächsten Verwandten im Tierreich: Die Schimpansen (Pan troglodytes) und Bonobos (Pan paniscus) sind uns in vielen Aspekten erstaunlich ähnlich, wie Studien der letzten Jahre gezeigt haben. Die beiden Affenarten sind in diesem Zusammenhang für ihre hohe Bereitschaft zur Kooperation bekannt. Allerdings gibt es zwischen den beiden Arten dabei interessante Unterschiede: Die Gruppen der Schimpansen werden durch Männchen dominiert, die oft untereinander Allianzen schmieden. Bei den Bonobos ist hingegen mehr „Gleichberechtigung“ zwischen den Geschlechtern angesagt: Weibchen erreichen ebenfalls hohe Dominanzränge in der Bonobo-Gemeinschaft. Berühmt sind die „Hippie-Affen“ zudem für ihr intensives und freizügiges Sexualverhalten, dem offenbar eine wichtige sozial Funktion in der Gruppe zukommt.
Sex als soziales Element
Das Besondere ist dabei: Die Tiere haben häufig gleichgeschlechtlichen Sex – das gilt besonders für die Weibchen. Regelmäßig reiben sie ihre Genitalien aneinander – ein Verhalten das GG-Rubbing genannt wird. Es gibt verschiedene Theorien, denen zufolge das gleichgeschlechtliche Sexualverhalten beim Abbau sozialer Spannungen und Aggressionen und beim Aufbau sozialer Bindungen helfen könnte. Doch tatsächlich erforscht ist dieses Verhalten bisher kaum.
Um zu untersuchen, warum das gleichgeschlechtliche Sexualverhalten speziell für weibliche Bonobos so wichtig ist, hat ein internationales Forscherteam mehr als ein Jahr lang Verhaltens- und Hormondaten von erwachsenen Mitgliedern einer wildlebenden Bonobo-Gruppe in der Demokratischen Republik Kongo gesammelt. Neben den sexuellen Interaktionen zwischen den Tieren haben die Forscher auch systematisch erfasst, welche Gruppenmitglieder als Partner für andere soziale Aktivitäten ausgewählt werden – etwa zur Unterstützung im Konfliktfall. Sie sammelten zudem Urinproben, um die Konzentration des Hormons Oxytocin zu messen. Dabei handelt es sich um das auch beim Menschen bekannte „Kuschelhormon“, das nach bestimmten sozialen Interaktionen freigesetzt wird und das weitere Verhalten beeinflussen kann.
Wie die Forscher berichten, ergaben ihre Verhaltensanalysen: In Situationen, bei denen es um die Verteilung von Futter geht, haben Weibchen lieber Sex mit anderen Weibchen als mit Männchen. Nach dem Kontakt blieben die Weibchen oft auch näher beieinander als Paare verschiedenen Geschlechts. Dies spiegelte sich zudem in der Ausschüttung des Kuschelhormons wider: Nach den gleichgeschlechtlichen Kontakten war ein Anstieg des Oxytocin-Spiegels im Urin zu verzeichnen – nicht jedoch nach dem Sex mit einem Männchen.
Ein Fundament weiblicher Macht?
Generell galt den Beobachtungen zufolge sowohl für gleichgeschlechtlichen als auch für gegengeschlechtlichen Kontakt: Je mehr Sex zwei Individuen miteinander hatten, desto häufiger halfen sie einander in Konfliktsituationen. Die meisten Bündnisse bilden in diesem Zusammenhang allerdings die Weibchen, betonen die Forscher. „Es kann sein, dass die größere Motivation für die Zusammenarbeit zwischen Weibchen, die physiologisch durch Oxytocin verstärkt wird, der Schlüssel zum Verständnis dafür ist, wie Weibchen hohe Dominanzränge in der Bonobo-Gemeinschaft erreichen“, sagt Co-Autor Martin Surbeck vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Den Forschern zufolge ist die Erforschung des Sozialverhaltens unserer nächsten Verwandten auch im Hinblick auf das Verständnis der Ursprünge der entsprechenden Systeme beim Menschen interessant. Wie sie betonen, ist menschliche Homosexualität zwar nicht mit dem gleichgeschlechtlichen Sexualverhalten bei Tieren gleichzusetzen. Dennoch gibt es Parallelen. Auch für Menschen bieten Allianzen zwischen Mitgliedern des gleichen Geschlechts viele Vorteile und es gibt zahlreiche Belege dafür, dass solche Bündnisse auch mit sexuellen Interaktionen einhergehen können. „Unsere Studie zeigt, dass sowohl beim Menschen als auch bei einem engen Verwandten die Entwicklung des gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens neue Wege zur Förderung eines hohen Maßes an Kooperation eröffnet hat“, sagt so Co-Autorin Liza Moscovice vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf.
Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Fachartikel: Hormones and Behavior, doi: 10.1016/j.yhbeh.2019.104581