Hanfpflanzen könnten Textilien der Zukunft umweltfreundlicher machen. Denn die Faserpflanzen benötigen deutlich weniger Dünger, Pestizide und Wasser als beispielsweise Baumwolle, wie nun ein Feldversuch belegt. Demnach verwerten gängige rauschmittelfreie Hanfsorten das verfügbare Wasser sechsmal effizienter als Baumwolle und produzieren auch bei Trockenheit ausreichend Biomasse und Fasern. Ob das für alle Standorte und Wetterbedingungen gilt, wird aber noch erforscht.
Der Klimawandel ist längst Realität – auch bei uns in Deutschland. Die Landwirtschaft leidet durch die steigenden Temperaturen und die drei niederschlagsarmen Jahre in Folge unter Wasserknappheit. Ähnliches gilt in vielen anderen Regionen weltweit. Besonders problematisch ist dies unter anderem für die Textilproduktion. Denn neben synthetischen Fasern ist die Baumwolle der wichtigste Lieferant von Textilfasern.
Der Baumwollanbau ist jedoch mit einem intensiven Pestizideinsatz, reichlich Düngung und einem hohen Wasserbedarf verbunden – die Pflanzen benötigen mindestens 750 Millimeter Niederschlag oder Bewässerungswasser pro Vegetationsperiode. Eine mögliche Alternative könnten daher genügsamere Faserpflanzen darstellen, darunter Hanf (Cannabis sativa). Diese früher weltweit angebaute Faserpflanze ist nicht sehr anfällig für Schädlinge und Krankheiten, wächst vergleichsweise schnell und erzielt hohe Erträge.
Wie effizient nutzen Hanfpflanzen das Wasser?
Doch wie sieht es mit dem Wasserbedarf der Hanfpflanzen aus? Dieser Frage sind nun Katrin Drastig mit ihren Kollegen vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam im Jahr 2017 und 2018 in einem Feldversuch auf den Grund gegangen. Dabei untersuchten sie die zwei rauschmittelfreien Hanfsorten „Santhica 27“ und „Ivory“, die an mitteleuropäischen Standorten wachsen. Die Untersuchungen erfolgten im Nordwesten Potsdams – an einem der trockensten deutschen Anbaugebiete mit einem mittleren Jahresniederschlag von nur 579 Millimetern. In der extrem trockenen Vegetationsperiode 2018 war es deutlich weniger. Die Forscher säten die Hanfsamen auf dem für diese Gegend typischen sandigem Boden, der nur wenig Wasser und Nährstoffe speichert.
Im Verlauf des Versuchs dokumentieren Drastig und ihr Team neben meteorologischen Daten und der Wasserverfügbarkeit aus dem Boden auch den Wasserhaushalt der Hanfpflanzen. Dafür erfassten sie deren Wassergehalt, den Gasaustausch, die Photosyntheseleistung und auch, wie viel Feuchtigkeit die Pflanzen über ihre Blätter abgaben. Unmittelbar nach der Ernte ermittelte das Forscherteam die Biomasse sowie den darin enthaltenen Anteil an Fasern. Mithilfe dieser Daten berechneten sie schließlich die Wasserproduktivität – also die Beziehung zwischen dem Wasserbedarf und dem Aufbau von Trockenmasse der Hanfpflanzen.
Hanfanbau auch an trockenen Standorten effizient
Das Ergebnis: Die untersuchten Hanfsorten wuchsen in dem beobachteten Zeitraum trotz der Trockenperioden sehr effizient. Demnach erzeugte der Industriehanf pro Kubikmeter genutztem Wasser durchschnittlich 2,4 Kilogramm Trockenmasse, wobei etwa 60 Prozent davon Fasern sind. Die Sorte „Santhica 27“ erzielte dabei etwas mehr Erträge als „Ivory“, obwohl bei beiden Sorten das abgefangene Regenwasser etwa gleich stark durch das Blattdach durchdrang und verdunste. Das unterschiedliche Wachstum der Pflanzen könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass die Wurzeln einiger Gewächse das Grundwasser besser erreichten, vermuten Drastig und ihre Kollegen.
Ihre Ergebnisse machen die Vorteile des Hanfanbaus deutlich: „Wir sehen, dass Hanf großes Potential für den Anbau an relativ trockenen Standorten bietet“, sagt Drastigs Kollege Hans-Jörg Gusovius. „Auch die hier verwendeten THC-freien und speziell für Wachstumsbedingungen in Europa gezüchteten Cannabis-Sorten sind für den Anbau auf eher trockenen Standorten geeignet.“ Laut der Forscher ist die Wasserproduktivität der untersuchten Hanfsorten etwa sechsmal höher als die von Baumwolle. Diese produziert bei gleicher Wassermenge nur etwa 0,4 Kilogramm Trockenmasse und muss deshalb auf feuchten Standorten angebaut oder bewässert werden. „Das macht Faserhanf interessant als umweltfreundliche Alternative zur Baumwolle, auch dank der geringeren Ansprüche an den Pflanzenschutz“, so Gusovius weiter.
Auch andere Pflanzen im Fokus
Nach Ansicht der Wissenschaftler sind ihre Ergebnisse ein erster Fortschritt bei der Suche nach Alternativen zur “durstigen” Baumwolle. Allerdings beleuchtet die aktuelle Studie bisher nur einen Standort und einen Zeitraum. Deshalb bestehe noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Landwirtschaft besser auf zukünftige Klimaszenarien vorzubereiten. „Wir brauchen viel mehr Daten, um aus Einzelergebnissen Modelle für bestimmte Regionen, Managementpraktiken und Kulturpflanzenarten ableiten zu können. Damit könnten wir Landwirten Entscheidungsunterstützung bei der Optimierung der Wassernutzung bieten“, fasst Drastig zusammen.
Dafür forscht das Team bereits intensiv an der nachhaltigeren Gewinnung von Faserrohstoffen wie Lein und Nessel, aber auch an der Nutzung von Koppel- und Reststoffen von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen wie Hopfen, Öllein oder Sorghum. Deren hochwertige Pflanzenfasern könnten in Zukunft womöglich auch Dämm- und Baustoffe aus fossilen Rohstoffen ersetzen.
Quelle: Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB), Fachartikel: Water, doi: 10.3390/w12112982