Der Geruch ist der evolutionär älteste Sinn: Schon primitive Einzeller nutzen chemische Signale, um miteinander zu kommunizieren. Viele Insekten und Säugetiere haben diese Duftkommunikation zu einer wahren Kunst erhoben und steuern darüber ganze Staaten oder übertragen Botschaften über weite Entfernungen. Wir Menschen sind gegen solche Supernasen eher geruchsbehindert: Zwar nehmen wir auch wir eine breite Palette von Duftstoffen wahr, viele davon aber erst in relativ hohen Konzentrationen. Dennoch haben Studien gerade in den letzten Jahren gezeigt, dass unterbewusste Geruchssignale auch für uns eine Rolle spielen, unter anderem bei der Partnerwahl. Inwieweit allerdings unsere nahen Verwandten, die großen Menschenaffen, Gerüche als Signale in der innerartlichen Kommunikation nutzen, war bisher kaum bekannt – auch weil Duftuntersuchungen im Dschungel nicht gerade einfach zu bewerkstelligen sind.
Schnüffeln im Urwald
Michelle Klailova und Phyllis Lee von der University of Stirling in England haben nun die erste Studie zur chemischen Kommunikation bei wilden Gorillas durchgeführt – mit teilweise überraschenden Ergebnissen. Zwölf Monate lang folgten die Forscherinnen und ihre Helfer dafür einer Gruppe von Westlichen Tieflandgorillas in einem Schutzgebiet in der Zentralafrikanischen Republik. Die Gruppe bestand aus einem älteren Männchen, dem Silberrücken Makumba, drei Weibchen, einem jungen Männchen und mehreren Halbwüchsigen und Jungtieren. Für die Duftstudie schnüffelten jeweils mindestens zwei Beobachter alle zehn Minuten in der Nähe des Silberrückens herum – wortwörtlich. Sie registrierten jeweils das Verhalten, die Lautäußerungen und den Duft des Gruppen-Anführers. Ziel war es herauszufinden, ob sich der Körpergeruch des Alpha-Männchens verändert, wenn beispielsweise Rivalen in der Nähe sind oder die Gruppe in Gefahr gerät.
Wie sich zeigte, ging von dem Silberrücken Makumba zu bestimmten Zeiten ein so intensiver Geruch aus, dass er alles in seiner Umgebung mühelos überdeckte. Dies war vor allem dann der Fall, wenn das Gorillamännchen Rivalen in der Nähe bemerkte und sie laut rufend zu vertreiben versuchte. Zu anderen Zeiten ließ der charakteristische Duft extrem nach und war kaum mehr zu riechen – meist dann, wenn wenig Grund zur Aufregung bestand. “Auf den ersten Blick scheint der Körpergeruch damit nur ein Nebenprodukt von Stress oder Angst zu sein”, sagen Klailova und Lee. Wäre das der Fall, dann müsste der Silberrücken immer stark riechen, wenn er in stressigen Situationen steckt.
Gesteuerter Geruch
Doch genau dies war nicht der Fall, wie die Forscherinnen beobachteten: Waren rivalisierende Gorillagruppen in der Nähe, entschied sich Makumba ja nach Situation für eine von zwei Taktiken: Entweder er begann, laut zu Imponieren und vertrieb die Konkurrenten oder aber er trat gemeinsam mit seiner Gruppe den schnellen, möglichst lautlosen Rückzug an. Wenig überraschend stank der Silberrücken in den Imponier- und Angriffsphasen geradezu zum Himmel. Das aber geschah nicht, wenn er sich entschied, vor den Rivalen zu flüchten: “In keiner der leisen Reaktionen wurde der typische extreme Geruch des Silberrückens registriert”, berichten Kleilova und Lee. Dafür sandte das Gorillamännchen in diesen Situationen mehr schwache, aber umfassendere Duftsignale aus.
Nach Ansicht der Forscherinnen spricht dies dafür, dass der Gorilla seinen Körpergeruch gezielt an die Situation anpasst: “Die extremen chemischen Signale der Silberrücken scheinen die rivalisierenden Männchen geradezu anzuschreien”, sagen Klailova und Lee. Sie dienen damit als zusätzliche Abschreckung und übermitteln auch die Information, dass ihnen hier ein potentes Alphamännchen gegenübersteht. Entscheidet sich der Silberrücken dagegen für Rückzug, drosselt er seinen verräterischen Geruch so weit, dass er höchstens von den ihm nahen Gruppenmitgliedern wahrgenommen wird, nicht aber von der rivalisierenden Gruppe. Die dabei ausgesendeten zusätzlichen Duftstoffe vermitteln seinem Clan dabei möglicherweise Informationen, die beim leisen, geordneten Rückzug helfen, die Gruppe zusammenzuhalten.
“Zum ersten Mal zeigen wir damit, dass ein Menschenaffe hochgradig kontextspezifische chemische Signale nutzt, um soziale Verhaltensweisen zu beeinflussen”, konstatieren die Forscherinnen. Diese Duftsignale könnten vor allem im dichten Dschungel eine wichtige Ergänzung der anderen Sinne sein. Die Geruchskommunikation der Silberrücken wirft aber auch ein neues Licht auf die Rolle des Geruchs bei anderen Menschenaffen und uns Menschen. Denn sie ist ein weiteres Indiz dafür, dass Duftsignale auch bei uns wichtiger und komplexer sein könnten als traditionellerweise angenommen.