Geparden sind in Körperbau und Physiologie optimal ans Rennen angepasst. Ihre Lungen sind vergrößert, die Nasengänge verbreitert und die Beine sind lang und weit ausgreifend. Durch diese Anpassungen können die Raubkatzen kurzzeitig Geschwindigkeiten von 28 Metern pro Sekunde, das entspricht rund 100 Kilometer pro Stunde erreichen. “Solche hohen Geschwindigkeiten ermöglichen es ihnen, langsamere Beute förmlich zu überrennen”, erklären John Wilson von der North Caroline State University in Raleigh und seine Kollegen. Zu ihren Beutetieren gehören vor allem kleinere Gazellen und Springböcke, gelegentlich aber auch Gnukälber, Strauße oder Hasen. Allerdings: Einige dieser Beutetiere haben eine Strategie entwickelt, um ihrem schnellen Jäger zu entkommen: Sie schlagen auf ihrer Flucht Haken. Für den Gepard ist das ein Problem, denn je schneller er läuft, desto mehr Energie muss er für eine scharfe Wendung aufbringen. Außerdem wirkt bei solchen Manövern auf Knochen und Sehnen eine enorme Kraft – und auch diese ist umso höher, je schneller der Lauf ist.
Wilson und seine Kollegen wollten daher herausfinden, ob und wie der Gepard seine Jagdstrategie an dieses Dilemma anpassen kann. Dafür fingen sie sechs wildlebende Geparden im Kgalagadi Transfrontier Part in Südafrika kurzzeitig ein und versahen sie mit einem Halsband mit miniaturisierten Messinstrumenten, darunter Bescheunigungsmessern und GPS-Empfängern. Über knapp sechs Tage hinweg konnten sie so jede Bewegung und vor allem die Geschwindigkeit und Beschleunigung der Katzen bei der Jagd mitverfolgen. In dieser Zeit erlegten die Geparde erfolgreich einen Strauß, zwei ausgewachsene Gazellen, außerdem Hasen und das Kalb einer Oryx-Antilope. Bei einer Gazelle und zwei Springböcken hatten sie weniger Glück: Die Beute entkam.
Bremse rein bei wendiger Beute
Die Auswertung der Datenhalsbänder zeigte, dass der Gepard trotz gelegentlicher Misserfolge raffinierter jagt als bisher angenommen: “Die weit verbreitete Vorstellung, dass die Jagd des Geparden nur aus einer simplen High-Speed-Verfolgung besteht, ist zu vereinfacht gesehen”, konstatieren die Forscher. Stattdessen bestehe die Jagd aus zwei deutlichen Phasen: In der ersten beschleunigt die Raubkatze stark, um so nah wie möglich an ihre Beute heranzukommen. Während der Studie erreichte der schnellste Gepard dabei immerhin mehr als 70 Kilometer pro Stunde. Dann aber, rund fünf Sekunden vor Ende der Hetzjagd, folgt die zweite Phase. In dieser bremst der Gepard seinen Lauf wieder etwas ab – wie stark, ist abhängig von der Art der Beute. Verfolgt die Raubkatze kleine Gazellen, Strauße oder Hasen, die oft versuchen, sie durch Hakenschlagen abzuschütteln, verlangsamte sie ihre Geschwindigkeit stärker als bei eher geradeaus flüchtender Beute, wie die Wissenschaftler berichten. Dieses Abbremsen stelle einen Kompromiss dar, der es dem Geparden ermögliche, wenn nötig schnelle Wendemanöver durchzuführen.
“Die Verfolgungsjagt eines Geparden ist daher weniger ein simpler HighSpeed-Sprint, als vielmehr ein sorgfältig ausgeklügeltes Duell zwischen Jäger und Beute, in denen die beiden gegensätzlichen Faktoren Geschwindigkeit und Wendigkeit gegeneinander abgewogen werden”, konstatieren Wilson und seine Kollegen. Ihre Studie sei nicht nur die erste, die das Jagdverhalten eines Land-Raubtiers mittels Sensoren direkt am Tier verfolgt habe. Sie zeige auch klar, dass der Gepard beutespezifische Jagdstrategien nutze – und damit weitaus raffinierter vorgeht, als man es ihm bisher zugetraut hatte.