Anzeige
1 Monat GRATIS testen. Danach zum Jubiläumspreis weiterlesen.
Startseite »

Flechten mit vier Symbiosepartnern

Erde|Umwelt

Flechten mit vier Symbiosepartnern
Wolfsflechte
Wolfsflechte (Letharia) auf Baumrinde. (Bild: Murphy Shewchuk/ iStock)

Flechten gelten als klassisches Beispiel für eine Symbiose – eine für beiden Partner nützliche Zweckgemeinschaft. Doch jetzt enthüllen Analysen von Wolfsflechten aus aller Welt, dass die Partnerbeziehungen dieser Gewächse viel komplexer sind als bisher geglaubt. Denn diese Flechten bestehen nicht nur aus einem Pilz und einer Alge, sondern enthalten gleich drei verschiedene Pilze in enger Gemeinschaft. Diese bisher unerkannten Partner werfen ein ganz neues Licht auf die Biologie der Flechten.

Schon in der Schule müssen Flechten meist als Beispiel für eine erfolgreiche Symbiose herhalten: Ein Pilz und eine Alge oder ein Cyanobakterium vereinen sich in dieser Lebensform zu einem wahren Anpassungskünstler. Das Leben im Inneren der Pilzfäden schützt die symbiontischen Algen vor dem Austrocknen, dafür liefern sie dem Pilz über ihre Photosynthese überlebenswichtige Nährstoffe. Diese Zweckgemeinschaft ermöglicht es den Flechten, selbst die unwirtlichsten Lebensräume zu besiedeln. Ihre oft farbenfrohen Krusten finden sich in Wüsten ebenso wie in der Arktis.

Mehr als nur zwei Partner

Doch schon vor zwei Jahren geriet die klassische Vorstellung von der Zwei-partner-Symbiose der Flechten ins Wanken: Forscher um Toby Spribille von der University of Alberta stießen bei 52 verschiedenen Flechtengattungen weltweit auf einen dritten Partner im Geflecht – einen Hefepilz. Als wesentlicher Bestandteil der Gemeinschaft ist dieser Hefepilz für das Überleben der Flechte sogar essenziell, wie die Forscher feststellten. Denn die Hefe produziert einen Giftstoff, der die Flechte vor unerwünschten Eindringlingen schützt. Fehlt er,
sterben Zellen im Vegetationskörper der Flechte schnell ab. “Das widerlegte die lange geltende Lehrmeinung, nach der Flechten nur aus einem Pilz und einer Alge bestehen”, erklärt Spribille.

Aber könnte dieser “Flechten-Dreier” womöglich nur die Spitze einer bisher unerkannten Vielfalt in der Symbiosebeziehung der Flechten sein? Um dieser Frage nachzugehen, haben Spribille, seine Kollegin Veera Tuovinen und ihr Team nun 809 Exemplare der Wolfsflechte (Letharia) aus Europa, Asien, Afrika und Nordamerika mikroskopisch und genetisch untersucht. Die Analysen der RNA und DNA ermöglichten es ihnen nicht nur, unerkannte “Fremdlinge” im Pilzgeflecht aufzuspüren. Sie lieferten auch erste Hinweise darauf, welcher Natur die Beziehung zum Hauptpilz ist.

Ein Gallpilz als vierter im Bunde

Die Auswertung ergab Überraschendes. Denn 95 Prozent der untersuchten Wolfsflechten enthielten nicht nur den Hefepilz, sondern noch einen weiteren, dritten Pilz. Dabei handelte es sich um den Gallpilz Tremella lethariae, der bisher als Parasit von Pilzen und Flechten galt. Die Forscher fanden Zellen, Fäden und Gallen dieses Pilzes in nahezu allen Körperbereichen der Flechten. “Unsere Entdeckung von Tremella in 95 Prozent der Wolfsflechten-Vegetationskörper weckt die Frage, wie dies solange übersehen werden konnte”, konstatieren Tuovinen und ihre Kollegen.

Anzeige

Nach Ansicht der Forscher verändern diese Ergebnisse die gesamten Vorstellungen zur Flechtenbiologie. “Unsere Entdeckung belegt, dass die meisten Wolfsflechtenarten weltweit aus mindestens drei Pilzpartnern bestehen”, so Spribille. “Und es könnte bedeuten, dass die Zahl der Partner von Flechtenart zu Flechtenart variieren kann – das macht die Natur dieser Beziehungen noch komplexer.” Hinzu kommt: Mehr als 1800 Pilze sind bisher dafür bekannt, dass sie auf oder in Flechten vorkommen. Sie galten bisher jedoch als parasitisch, pathogen oder einfach nur als Kommensalen – Mitbewohner ohne engere Beziehung zur Flechte, wie die Wissenschaftler erklären. “Die Ergebnisse unserer Studie haben daher weitreichende Bedeutung dafür, was wir über diese flechtenassoziierten Pilze zu wissen glaubten”, so die Forscher. “Diese Interaktionen sind sehr viel komplexer als wir dachten.”

Quelle: Veera Tuovinen (University of Alberta, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2018.12.022

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Lor|do|se  〈f. 19; Med.〉 Wirbelsäulenverkrümmung nach vorn [zu grch. lordos … mehr

Er|go|ta|min  〈n. 11; unz.; Biochem.〉 Hauptalkaloid des Mutterkorns, bewirkt Blutdruckanstieg [<frz. ergot … mehr

Forst|wis|sen|schaft  〈f. 20; unz.〉 die Wissenschaft vom Forst, seiner Pflege, Bewirtschaftung, Geschichte usw.

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige