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Europas Meeresschutzgebiete sind keine Refugien

Erde|Umwelt

Europas Meeresschutzgebiete sind keine Refugien
Fischerei
Kommerzieller Fischfang (links) sowie Fänge von Knorpelfischen (rechts) außerhalb und innerhalb von Schutzgebieten. (Grafik: M. Dureuil/ Dalhousie University)

Die Ozeane haben es nicht leicht: Plastikmüll, Klimawandel und Überfischung bedrohen viele der einzigartigen Lebensräume und ihre Bewohner. Jetzt enthüllt eine Studie, dass selbst viele Meeresschutzgebiete keineswegs sichere Refugien sind – im Gegenteil: In mehr als der Hälfte der europäischen Meeresschutzgebiete findet kommerzielle Schleppnetzfischerei statt. Diese Gebiete werden teilweise sogar intensiver befischt als die nicht geschützten Meeresbereiche.

In Meeresschutzgebieten sollte die marine Umwelt eigentlich besonders geschützt sein. Ihr Zweck ist es, besonders artenreiche und wertvolle Gebiete im Ozean vor Übernutzung und Zerstörung zu schützen. Rund ein Drittel der europäischen und 45 Prozent der deutschen Meeresgewässer sind deshalb als Schutzgebiete ausgewiesen.

Wer fischt wo in Europas Gewässern?

Das klingt sehr beruhigend, bedeutet aber nicht, dass in diesen Gebieten keinerlei Nutzung, zum Beispiel durch Fischerei, stattfindet. Laut Richtlinien der Internationalen Naturschutzunion IUCN sollen diese Eingriffe aber primär dem Erhalt der Artenvielfalt dienen – indem sie beispielsweise verhindern, dass die Artenverteilung aus dem Gleichgewicht gerät. Dennoch ist auch die kommerzielle Fischerei in vielen europäischen Meeresschutzgebieten nicht verboten oder nennenswert beschränkt.

Was das in der Praxis für die Schutzgebiete bedeutet und wie viel dort tatsächlich gefischt wird, hat nun ein Team um Manuel Dureuil von der Dalhousie University im kanadischen Halifax untersucht. Für ihre Studie werteten die Forscher die automatischen Schiffstracking-Daten aus, die jeder Trawler größer als 15 Meter übermittelt und die in einer Datenbank erfasst werden. “Unsere Daten decken damit rund 94 Prozent der kommerziellen Schleppnetzfischerei in den europäischen Meeren ab”, sagen die Wissenschaftler. Sie verglichen dann, wie lange und häufig die Trawler sich in den 727 europäischen Meeresschutzgebieten aufhielten. Zusätzlich erfassten sie die Bestände von Haien, Rochen und anderen Knorpelfischen innerhalb und außerhalb der Schutzgebiete.

Höhere Fischerei-Intensität als außerhalb

Das Ergebnis: In knapp 60 Prozent der europäischen Meeresschutzgebiete findet Schleppnetzfang statt. Nur 295 der 7272 Schutzgebiete blieben von dieser Fischerei komplett verschont, wie die Forscher berichten. Die Analyse von Satellitendaten ergab, dass die Schleppnetzintensität in den Schutzgebieten sogar im Durchschnitt 40 Prozent höher war als außerhalb der Schutzgebiete. Besonders betroffen vom kommerziellen Fischfang sind dabei die großen Schutzgebiete unter EU-Recht und die küstennahen Gebiete. Kleinere nationale Schutzgebiete waren dagegen häufiger fischereifrei.

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Diese Praxis hat Folgen für die marine Artenvielfalt, wie die Wissenschaftler feststellten: “Wir zeigen, dass die Anzahl von verschiedenen Hai- und Rochenarten in Gebieten mit hoher Schleppnetzfischerei um bis 69 Prozent niedriger ist“, sagt Dureuil. “Oft handelt es sich hier um Grundschleppnetzfischerei, die auch für andere Organismen negative Auswirkungen haben kann.” Damit sei klar, dass Meeresschutzgebiete keine sicheren Häfen sein können, solange Fischerei in ihnen erlaubt sei, konstatieren die Forscher.

“Damit Schutzgebiete ihren Namen verdienen, muss die Grundschleppnetzfischerei beendet werden”, sagt Co-Autor Rainer Froese vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Wissenschaftler fordern deshalb, dass die Mindeststandards von Meeresschutzgebieten dringend verbessert werden müssen. Die Politik müsse sich auf international vergleichbare Standards unter Ausschluss der Grundschleppnetzfischerei verständigen und das Management von Schutzgebieten müsse gestärkt und transparenter gestaltet werden, so die Forscher.

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aau0561

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