Schwimmende Tangmatten – von Westafrika bis zum Golf von Mexiko: Seit 2011 bildet sich im Atlantik immer wieder ein gigantisches Band aus Seetang, geht aus Satellitenbildern hervor. Als Ursache des verstärkten Wachstums zeichnen sich Nährstoffeinträge ab, die aus dem Amazonasgebiet und den Gewässern vor Westafrika stammen, berichten die Forscher. Das problematische Phänomen könnte ihnen zufolge nun zur Norm werden.
Die Sargassosee im westlichen Atlantik gilt als die typische Heimat der auch Sargassum genannten Seetange aus der Gruppe der Braunalgen. Die beiden häufigsten Arten wachsen freischwimmend – sie halten sich durch typische blasenartige Strukturen über Wasser und werden durch die Meeresströmungen bewegt. Bereits Christoph Kolumbus berichtete im 15. Jahrhundert über die großen treibenden Tangmatten im Atlantik.
Die Entwicklung dieser Pflanzen folgt einem jährlichen Zyklus: Einige überleben den Winter und bilden im folgenden Frühjahr das Ausgangsmaterial für das erneute Ausbreiten der Matten. Im Herbst stirbt dann der Großteil des Pflanzenmaterials ab, sinkt auf den Grund oder wird an Küsten angespült. Der Seetang ist nicht etwa grundsätzlich problematisch – im Gegenteil: Die treibenden Algenwälder bilden wichtige Lebensräume für viele Meerestiere. Es handelt sich daher um Hotspots der Artenvielfalt und Produktivität. Doch wie in so vielen Fällen, wird es problematisch, wenn die seit Urzeiten gewachsenen Gleichgewichte durch den Menschen aus der Balance geraten. Genau dies scheint sich nun auch im Fall des Seetangs abzuzeichnen.
Zuviel des Guten
In den vergangenen Jahren wurden über besonders große Mengen von Tang im Zentralatlantik berichtet, die auch zu enormen Massenstrandungen an einigen Küsten geführt haben. Dies ging mit schwerwiegenden ökologischen und wirtschaftlichen Problemen einher: Zu große Bestände der Algen behindern die Möglichkeiten einiger Meerestiere, sich zu bewegen oder zu atmen – besonders wenn die Matten die Küstenregionen blockieren. Wenn der Tang in zu großen Mengen absinkt, kann er zudem Korallen, Seegräser und andere Lebewesen am Grund unter sich begraben. Angespült am Strand werden die Tangmassen ebenfalls zu einem Problem: Der Gestank des verrottenden Materials vertreibt Touristen und kann sogar die menschliche Gesundheit gefährden.
Um das starke Algenwachstum der letzten Jahre systematisch zu erfassen, haben Forscher der University of South Florida in Tampa nun Satellitendaten der NASA aus den letzten 19 Jahren ausgewertet. Wie sie erklären, stellten sich Analysen der Aufnahmen als eine ideale Möglichkeit heraus, um das Ausmaß und die Entwicklung der Seetangbestände im Überkick zu erfassen. Das Team wertete zudem weitere Informationen aus, die Hinweise auf die Ursachen des starken Wachstums liefern könnten.
Die Forscher konnten anhand der Satellitendaten dokumentieren, dass sich seit 2011 jedes Jahr mit Ausnahme von 2013 ein gigantischer Sargassum-Gürtel im Atlantik ausgebildet hat. Den Simulationen zufolge, entsteht die deutliche Bandstruktur durch die Strömungen im Atlantik. Wie Forscher berichten, war das Phänomen im letzten Jahr besonders stark ausgeprägt: Im Juni 2018 erreichte das Band aus den schwimmenden Tangmatten demnach eine Länge 8850 Kilometern – von der Westküste Afrikas bis in die Karibik. Die geschätzte Biomasse dieses Gebildes betrug dabei mehr als 20 Millionen Tonnen. Ein Teil dieses Materials sorgte dann an den Küsten des tropischen Atlantiks, der Karibik, des Golfs von Mexiko und der Ostküste Floridas für erhebliche Probleme.
Ein Düngeeffekt scheint verantwortlich
Die Ursache des starken Wachstums sehen die Forscher eher nicht in den gestiegenen Wassertemperaturen, sondern in Nährstoffeinträgen. Sie haben dabei zwei Quellen im Visier – eine vom Menschen verursachte und eine natürliche: Im Frühjahr und Sommer werden dem Ozean demnach verstärkt Nährstoffe zugeführt, die vom Wasser des Amazonas stammen. Die Forscher präsentieren Hinweise darauf, dass in den letzten Jahren aufgrund der zunehmenden Entwaldung und des Düngemitteleinsatzes im Amazonasgebiet immer mehr Nährstoffe über den Fluss ins Meer gelangen.
Als zweiten Faktor sehen die Wissenschaftler, ein verstärktes Aufsteigen von nährstoffreichem Tiefenwasser vor der westafrikanischen Küste. Im Winter begünstigt dies dort die Entwicklung des Seetangs an der Oberfläche. “Der Nachweis für eine Nährstoffanreicherung ist vorläufig und basiert auf begrenzten Felddaten und anderen Umweltdaten. Wir benötigen weitere Untersuchungen, um diese Hypothese zu bestätigen”, betont Co-Autor Chuanmin Hu.
Wie es scheint, führte aber 2011 eine Kombination begünstigender Effekte zu einem Überschreiten einer kritischen Schwelle, sagen die Forscher. “Vermutlich hängt letztlich alles mit dem Klimawandel zusammen, da er die Niederschläge, die Ozeanzirkulation und sogar die menschlichen Aktivitäten beeinflusst“, sagt Hu.
Wie der Wissenschaftler betont, bleiben generelle Vorhersagen über das zukünftige Ausmaß der Entwicklung des Tangs schwierig. Denn es hängt von einem breiten Spektrum von Faktoren ab, die schwer vorherzusagen sind. “Es ist noch viel Forschungsarbeit nötig, um das Phänomen besser zu verstehen. Wir hoffen, dass unsere Studie dafür einen Rahmen geliefert hat“, so Hu.
Und was zeichnet sich nun für 2019 ab? Hu zufolge war das Tangwachstum in der Karibik zu Beginn dieses Jahres sogar noch intensiver als im letzten. Somit können sich die Menschen in der Nordkaribik offenbar erneut auf enorme Tangmengen an ihren Küsten einstellen
Quelle: University of South Florida (USF Innovation), Science, doi: 10.1126/science.aaw7912