Wie lange ein Mensch bereits tot ist, lässt sich mit Hilfe neuer Analysemethoden präziser bestimmen: Spanische Mediziner haben dazu ein Computerprogramm entwickelt, das anhand von Material aus dem Auge der Leiche eine genaue Einschätzung des Todeszeitpunkts ermöglicht. Die Forscher um José Ignacio Munoz Barús von der Universität von Santiago de Compostela analysierten zu diesem Zweck die Konzentration bestimmter Substanzen im sogenannten Glaskörper des Auges ? so bezeichnen Mediziner die gelartige Substanz, die sich im Auge zwischen Linse und Netzhaut befindet. Dabei fanden sie heraus, dass die bisherigen Modelle über chemische Prozesse im Glaskörper nicht exakt genug waren.
Um festzustellen, wann ein Mensch gestorben ist, bedienen sich Mediziner verschiedener Hilfsmittel: Sie messen die Temperatur im Rektum oder einem Organ der Leiche oder untersuchen die sogenannten Totenflecke, die auf der Haut von Verstorbenen sichtbar werden. Auch die Untersuchung des Glaskörpers im Auge gehört zum Repertoire von Rechtsmedizinern.
Entscheidend zur Bestimmung des Todeszeitpunktes ist dabei die chemische Zusammensetzung des Glaskörpers: Aus der Konzentration von Kalium, Harnstoff und Hypoxanthin ? einem Abbauprodukt von DNA ? können Forscher Informationen über die Zeitspanne herleiten, die seit dem Tod einer Person vergangen ist. Dazu benutzten Mediziner bislang Rechenmodelle, die von einer gleichmäßigen Zunahme der Substanzen im Glaskörper der Leiche ausgingen.
Munoz Barús und seine Kollegen fanden bei Untersuchungen an über 200 Proben von Glaskörpern nun aber heraus, dass die bisherigen mathematischen Modelle die tatsächliche Entwicklung nur ungenügend wiedergeben. Stattdessen verläuft die Konzentrationszunahme unregelmäßig. Die spanischen Forscher arbeiteten die neuen Daten mit Hilfe statistischer Methoden in ein Computerprogramm ein. “Die von uns entwickelten Gleichungen ermöglichen eine präzisere Abschätzung des Todeszeitpunktes als bisher und stellen forensischen Pathologen ein nützliches und einfach zu bedienendes Werkzeug zur Verfügung”, fassen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse zusammen.
José Ignacio Munoz Barús (Universität von Santiago de Compostela, Spanien) et al.: Statistics in Medicine, Bd. 27, Heft 24, S. 5026 ddp/wissenschaft.de ? Markus Zens