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Das Ende der Vulkanberge?

Basaltabbau im Geopark Vulkaneifel

Das Ende der Vulkanberge?
Vulkaneifel_sunrise_250.jpg
Sonnenaufgang über der Vulkaneifel. Foto: wikipedia.de LordThoran - Lizenz: public domain
Schon Alfred Andersch schwärmte von den Vulkanen in der Eifel. Doch seit Jahrzehnten verschwinden die Berge, weil Basalt abgebaut wird. Nun sollen die für den Abbau vorgesehenen Flächen sogar verfünffacht werden. Ein Weckruf von Georg Lecke-Hausmann

Einwände der Landespflege, der Gemeinden und Bürger wurden regelmäßig übergangen, die Ausweisung der Flächen als Natur- oder Landschaftsschutzgebiet ignoriert, selbst als Naturdenkmal ausgewiesene Berge wurden in einigen Fällen zuerst durch angrenzenden Abbau stark zerstört, dann der Schutzstatus entzogen mit der Begründung, ihr besonderer Charakter, einst Anlass für den Schutz, sei durch den Abbau verloren. Bei so viel frechem Zynismus steht zu erwarten, dass in naher Zukunft behördlicherseits veranlasst wird, die Vulkaneifel umzubenennen, weil von den „vornehmsten Zeugen vulkanischer Tätigkeit“ nur noch wenige von Baggern zerstörte Reste vorhanden sind.

Wie rücksichtslos dieser Landschaft zugesetzt wird, welches Desaster für ihr Erscheinungsbild sich hinter dem Begriff „Rohstoffsicherung“ verbirgt, hat der NABU Daun auf seiner Internetseite in einer beeindruckenden Bildergalerie dokumentiert, die neben dem Schaden, der aktuell angerichtet wird aufzeigt, um welche Dimensionen es nach dem Willen des Landesamtes für Bergbau und Geologie Rheinland-Pfalz zukünftig geht.

Lavagrube-bei-Hillesheim_3_250.jpgEs geht um nichts Geringes: Der skrupellose und seit den 1960er Jahren immer exzessiver betriebene Abbau von Lavaasche und Basalt, der das Landschaftsbild nicht nur vorübergehend stört, sondern bis in alle Zeiten unwiderruflich zerstört, ist das zentrale Problem dieser Region. Selbst die Verbreitung der Windkraftanlagen, ein weiterer Störfaktor des Landschaftsbildes, wird daneben zur bloßen Bagatelle, denn die Methoden der Energiegewinnung werden notwendigerweise weiterentwickelt und verfeinert, denkbar also, dass Windkraftanlagen nach der üblichen Laufzeit von 20 bis 30 Jahren demontiert und durch neue Technologien ersetzt werden, schließlich belächeln wir Computer bereits nach fünf Jahren so mitleidig als handele es sich um Steinwerkzeug aus dem Neolithikum.

Wie aber ist es möglich, dass in einem Land mit den heute weltweit höchsten Umweltstandards geschützte Flächen völlig legal abgetragen werden dürfen, um sie zum weitaus größten Teil für den Straßenbau zu verbrauchen? Man fühlt sich zurückversetzt in Zeiten, die man längst überwunden glaubte und reibt sich abermals die Augen – wie kann das sein?

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Es hat etwas geradezu Unheimliches und zieht seine ursächliche Berechtigung tatsächlich aus finsteren Zeiten: Das Bergrecht, beispiellos in seiner Machtfülle und Unangreifbarkeit, das diese rücksichtslose Landschaftszerstörung ermöglicht, fußt noch immer wesentlich auf der preußischen Gesetzgebung und den von einem Banditenstaat ersonnenen Verordnungen, den Bergbaugesetzen der 1930er Jahre.

Seither sind zahlreiche Verordnungen hinzugefügt oder verändert worden, das Ergebnis lässt sich besichtigen: Bis heute darf ein Industriezweig ungehemmt seine Hegemonie über die Natur ausleben, sanktioniert durch eine Behörde, die die Lizenzen dazu vergibt, alles wie gehabt, denn trotz ebenso langer Proteste blieben Planer und Industrie beim Abbau der Eifelberge jahrzehntelang völlig unbehelligt. Die Zeitschrift natur vom Oktober 1984 beschreibt die undemokratische Vorgehensweise bereits und spricht vom „Recht des Stärkeren“.

Tektonische Schwächezone, gefährliche Rissbildungen

Der Inhaber dieses Rechts demonstriert seine Stärke gerade wieder sehr eindrucksvoll: Das staatliche Bergamt in Mainz, darüber wurde ausführlich in vielen Medien berichtet, plant in gewohnt selbstherrlicher Manier die Abbauflächen für Lava und Basaltgestein in der Vulkaneifel auf 2.000 Hektar zu erweitern, im Handstreich soll die bisher für den Abbau freigegebene Fläche verfünffacht werden.

Nun richtet, wer in einer Amtsstube sitzt, noch dazu der des Bergamtes, nach aller Erfahrung den Blick selten in die Ferne, und es wäre naiv auch nur das geringste Empfinden für die Schönheit einer Landschaft zu erwarten, die sich 200 Kilometer weit entfernt befindet, also werden die Berge der Eifel weiterhin weggebaggert und abtransportiert als handele es sich um ein bloßes Sandkastenspiel.

Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es in solchen Köpfen aussieht, tut man es doch, wird schnell klar, dass auch diesmal eine tektonische Schwächezone mit gefährlichen Rissbildungen Ursache für die dramatische Veränderung des Landschaftsbildes der Vulkaneifel ist.

Die wegen ihrer vulkanischen Erscheinungen in ganz Europa als einzigartig geltende Landschaft wird durch den unvermindert andauernden Abbau zu einem bedeutungslosen Landstrich, das, was sie so einzigartig macht, wird ihr zum Verhängnis, und was einen geradezu verzweifeln lässt, ist die stupide Zwangsläufigkeit, mit der das geschieht, die Unfähigkeit aller Tatbeteiligten über den Tag hinaus zu denken und andere Möglichkeiten zu erwägen. Die besondere Eignung der Vulkankegel der Eifel für den Straßenbau ist ausreichender Grund, sie hierfür zu verwenden.

„Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von gar nichts den Wert“ wusste bereits Oskar Wilde. Der Wert dieser Landschaft erschließt sich Leuten von besonders grober Gemütsart offensichtlich nur über den Preis, der sich pro Tonne Lavasand erzielen lässt. Womit verdienen die daran Tatbeteiligten ihren Lebensunterhalt, wenn auch der letzte Bergkegel verschwunden ist? Welcher Beschäftigung gingen sie heute nach, wäre in der Eifel nie ein Vulkan ausgebrochen? Und warum bricht kein Vulkan mehr aus und jagt die ganze skrupellose Bande in die Flucht?

„Berge wachsen nicht nach“, die schöne Aussicht ist akut bedroht, selbst nach erfolgreicher Abwehr der geplanten  Erweiterung der Abbauflächen auf  2.000 Hektar in einem Zug könnte dieselbe dann eben Stück für Stück zu Stande kommen. Wie viele Vulkanberge bleiben wohl erhalten, bis die am Abbau verdienenden Lavafirmen – aus Gründen der Nachhaltigkeit – freiwillig auf weiteren Profit verzichten?

Ohne Regulativ, ohne Novellierung des unsäglichen Bergbaugesetzes werden die Berge verschwinden, nur ein Gesetz, das ihn verbietet, kann den Raubbau beenden.

Alfred Andersch schrieb von einer “Wand aus Steinen”

Die Politik ist gefragt, aus Verzweiflung greift man selbst nach dem dünnsten Strohhalm. Doch die Äußerungen der Rheinland-Pfälzischen Umweltministerin und ihrer für die Wirtschaft zuständigen Parteikollegin anlässlich der Podiumsdiskussion »Eifellandschaft oder Lavaabbau« in Daun sind dazu angetan, alle Hoffnung, die offenbar nicht immer grün ist, gleich wieder fahren zu lassen.

Wie sollen die von der Umweltministerin in Aussicht gestellten „hochwertigen Planungen für die Vulkaneifel“ aussehen? Die von der Wirtschaftsministerin in beschwichtigender Absicht verwendete Floskel „Ökonomie und Ökologie müssen kein Widerspruch sein, so wie Tourismus und Lavaabbau zusammen passen müssen“ klingt eher bedrohlich, impliziert sie doch eine andauernde Plünderung der „Rohstoffvorkommen“, die Existenz von ein paar Profiteuren bleibt auch in Zukunft gesichert, anders als das Erscheinungsbild der Vulkaneifel.

Von einer Politik, die der weithin sichtbar Landschaft zerstörenden Industrie mühelos attestiert, dass ihr Expansionsdrang durchaus mit dem an landschaftliche Schönheit gebundenen Tourismus zusammenpassen kann, ist nicht viel zu erwarten, sieht man von dem jahrzehntelangen Bemühen einiger hier verwurzelter Lokalpolitiker ab, denen der Erhalt ihrer Heimat wichtiger erscheint als ein vom Bruchzins finanziertes Gemeindehaus.

Der Schriftsteller Alfred Andersch, Anfang der 1950er Jahre auf der Burg Kerpen inmitten der Vulkaneifel wohnhaft, schrieb in seinem Roman Winterspelt: „Es gab diese aus einem Berg heraus gebrochene Steinwand, und zugleich gab es einen, der mit ihr machen konnte, was er wollte. Sie war sein Privateigentum. … Es machte mich rasend. Ich sah diese Wand aus Steinen an, Teil eines Berges, ein Stück des Landes. Damals dachte ich noch nicht, sie müsse allen gehören, sondern nur – daran erinnere ich mich noch genau –: niemandem.“

Fraglos eine schöne Utopie, doch ob etwas niemandem gehört oder allen, nichts ist sicher vor dem Zugriff des Landesamtes für Bergbau und Geologie. Den Schaden haben am Ende die Bewohner der Region, wenn die zum Raubbau legitimierten Profiteure längst über alle abgetragenen Berge sind. Denn der Tourismus, der hier glücklicherweise kein Massentourismus ist, aber immerhin stärkster Wirtschaftsfaktor in der Vulkaneifel, hat das Nachsehen, wenn ein Industriezweig weiterhin Zustände schaffen darf, die zum Davonlaufen sind.

So erscheint der nun wohl bevorstehende A1-Lückenschluss in der Eifel, für den sicher so vieles spricht wie gegen ihn, hierüber mögen andere befinden, nur richtig und konsequent: Es gibt diese trostlosen Landschaften, nichtssagend und charakterlos, durch die man einfach nur möglichst schnell hindurch reisen will, schöneren Zielen entgegen.

Der pfiffige Karl Valentin hatte einmal eine mit Wasser gefüllte Schüssel mit dem Hinweis versehen: „Diese herrliche Eisplastik – ist leider geschmolzen.“ Das war intelligent und witzig, ist jedoch nicht auf jeden Gegenstand übertragbar. Wir werden sehr dumm da stehen, wenn wir in wenigen Jahrzehnten den Besuchern der Eifel erklären müssen: „Auf unseren herrlichen Vulkanbergen – sind Sie gerade angereist.“

Literatur:
Wanderungen durch die Eifel
Verlag Jos. Kessels, Aachen 1919
Natur, Heft 10/1984
Landkreis Vulkaneifel, Jahrbuch 2010

Internet: www.nabu-daun.de

Foto ganz oben: Sonnenaufgang über der Vulkaneifel. Foto: wikipedia.de LordThoran – Lizenz: public domain

Foto vom Basaltabbau: Copyright Georg Lecke-Hausmann

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