Auch bei Blaumeisen gibt es alleinerziehende Eltern – und auch sie haben es schwer. In zwei Dritteln der Fälle schaffen sie es zwar, wenigstens einen Teil ihrer Küken durchzubringen. Manchmal jedoch sterben alle Jungen, noch bevor sie flügge werden. Wie Biologen beobachtet haben, schafft es der verbliebene Elternteil dann nicht, genügend Futter heranzuschaffen. Alleinerziehende Blaumeisenväter haben zudem das Handikap, dass sie ihre Küken nicht richtig wärmen können – ihnen fehlt der Brutfleck.
Blaumeisen gehören zu den bekanntesten und häufigsten Vögeln in unseren Parks und Gärten. Typischerweise brüten sie in Astlöchern, Nistkästen und anderen geschützten Orten und legen acht bis 15 Eier. Wenn die Küken schlüpfen, werden sie von beiden Eltern mit Futter versorgt, bevor sie im Alter von rund 21 Tagen dann flügge werden.
Früher Tod der gesamten Brut
In einigen Nestern jedoch kommt es zur Katastrophe: Alle Küken sterben, noch bevor sie alt genug sind, das Nest zu verlassen. Weil Meisen nur einmal im Jahr brüten, bedeutet dies für die Eltern ein Jahr ohne Nachwuchs. Bisher war jedoch unklar, warum es manchmal zu einem solchen kompletten Brutverlust kommt. Haben die Meiseneltern ihre Brut im Stich gelassen? Oder hat einer der beiden seinen Partner und den Nachwuchs verlassen?
Um das herauszufinden, haben Peter Santema und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen brütende Baumeisen überwacht. Dazu statteten sie alle erwachsenen Blaumeisen auf ihrer Studienfläche mit einem winzigen Microchip-Transponder aus und bauten in alle Nestboxen ein automatisches Überwachungssystem ein, das jeden Besuch eines Vogels mit Transponder über das ganze Jahr aufzeichnete. Über sieben Jahre hinweg konnten die Forscher so 684 Nester und ihre Bewohner beobachten.
Väter haben es schwerer
Es zeigte sich: In 13 Prozent der Fälle kam es zum Tod aller Küken einer Brut. In fast allen dieser Fälle jedoch ging der Katastrophe ein weiteres Ereignis voraus: Ein Elternteil verschwand. “Bis auf eine Ausnahme sind alle verschwundenen Vögel nie wieder im Studiengebiet aufgetaucht”, sagt Kempenaers. Dass dieses Elternteil einfach die Brut verlassen und die Aufzucht dem Partner überlassen hat, ist daher seiner Ansicht nach eher unwahrscheinlich. Auch die Besuchsraten der Eltern im Nest waren normal bis zum Zeitpunkt des Verschwindens, was auf ansonsten gesunde Individuen hindeutet, die nicht erschöpft ihre Brut aufgeben mussten.
“Mit all diesen Beweisen liegt es auf der Hand, dass das plötzliche Wegbleiben eines Elternteils durch seinen Tod verursacht wurde”, sagt Santema. Das ununterbrochene Anfliegen zum und vom Nest macht die Eltern anfällig für Fressfeinde aus der Luft, vor allem dem Sperber. Nachdem dem Verschwinden des Partners haben sowohl bei den “alleinerziehenden” Vätern als auch den Müttern die Nestbesuche zunächst erheblich zugenommen – als wollten die Vögel versuchen, den fehlenden Futteranteil des Partners durch häufigeres Fliegen zu ersetzen. Doch das klappte nur zum Teil.
Wie die Biologen beobachteten, schafften es zwei Drittel der “alleinerziehenden ” Meiseneltern tatsächlich, zumindest einen Teil der Nestlinge durchzubringen. Besonders oft gelang dies, wenn der Vater verschwunden war und die Mutter übrigblieb. Die Forscher vermuten, dass dies mit dem Brüten zusammenhängt: “Die Nestlinge können ihre Körpertemperatur noch nicht selbst konstant halten, solange sie keine Federn haben”, erklärt Santema. “Nur Weibchen haben einen Brutfleck und damit die Möglichkeit, sie warm zu halten.” Das könnte ein Grund sein, warum alleinerziehende Männchen generell weniger erfolgreich waren als Weibchen.
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass es für den Tod einzelner Nestlinge andere Gründe gibt als für den Verlust der ganzen Brut, wie zum Beispiel Nahrungsknappheit oder Krankheit”, fasst Bart Kempenaers zusammen. Denn im Gegensatz zu Bruten, die komplett fehlschlugen, wurden Nester mit nur einzelnen gestorbenen Küken meist noch von beiden Elternteilen versorgt.
Quelle: Max-Planck-Institut für Ornithologie, Fachartikel: Journal of Animal Ecology, doi: 10.1111/1365-2656.12848