Chinesen und Amerikaner betrachten und bewerten Bilder auf ganz verschiedene Weise, haben amerikanische Forscher herausgefunden. Die unterschiedliche Art der Wahrnehmung geht auf kulturelle Prägungen zurück. Die Wissenschaftler hatten ihren Probanden bestimmte Bilder gezeigt und dabei deren Augenbewegungen aufgezeichnet. So konnten sie nachvollziehen, welchen Bereichen des Bildes die Probanden die meiste Aufmerksamkeit schenkten.
Bei den Versuchen sahen die 45 amerikanischen und chinesischen Studenten für wenige Sekunden verschiedene Bilder, die jeweils ein auffälliges Objekt im Vordergrund und einen komplexen Hintergrund zeigten. Das war beispielsweise ein Tiger vor einer Waldszene. Die Amerikaner fixierten viel schneller und länger das auffällige Objekt als die Chinesen. Diese betrachteten dagegen den Hintergrund sehr häufig, schauten jedoch insgesamt kürzer auf das Objekt und den Hintergrund.
Worauf ein Betrachter seine Aufmerksamkeit lenkt, wird ihm durch die verschiedenen Sozialisationspraktiken seines Kulturkreises wie beispielsweise die Erziehung eingeprägt, erklären die Forscher. Da Asiaten in komplexen sozialen Netzwerken mit festgelegter Rollenverteilung leben, ist es für sie wichtig, ihre Aufmerksamkeit auf Beziehungen und Zusammenhänge zu lenken. Menschen im westlichen Kulturkreis bilden dagegen weniger enge Netzwerke aus und betonen viel mehr die Unabhängigkeit. Sie müssen sich daher weniger auf Zusammenhänge konzentrieren, sondern fixieren eher auffällige Objekte.
Hannah-Faye Chua (Universität von Michigan, Ann Arbor) et al.: PNAS (Bd. 102, S.12629)
ddp/wissenschaft.de ? Eva Maria Marquart