Stinkende „Barrikaden“ am Eingang: Asiatische Honigbienen verwenden gesammelten Tierkot, um ihre Stöcke vor Invasionen durch Riesenhornissen zu schützen, berichten Forscher. Sie interpretieren dieses Verhalten als den ersten Nachweis eines Werkzeuggebrauchs bei Bienen. Die Entdeckung könnte auch eine Bedeutung im Zusammenhang mit invasiven Arten haben, sagen die Forscher: Die Europäischen Honigbienen könnten im Gegensatz zu ihren asiatischen Cousinen den Riesenhornissen hilflos ausgeliefert sein, wenn sie in ihr Verbreitungsgebiet eingeführt werden, sagen die Forscher.
Erinnerungen an die Zeichentrickserie „Biene Maja“ werden wach: Hornissen gehören bekanntermaßen zu den wichtigsten Feinden der Honigbienen. Besonders betroffen ist dabei die in Asien verbreitete Honigbiene Apis cerana. Auf sie hat es die dort beheimatete Riesenhornisse Vespa soror abgesehen. Diese ausgesprochen rabiaten Hornissen sind auch unter den dortigen Imkern berüchtigt, denn sie können durch Masseninvasionen ganze Bienenvölker vernichten. Dazu markieren Späher der ebenfalls staatenbildenden Raubinsekten Zielvölker durch Duftstoffe. Anschließend greift dann ein regelrechtes Invasionsgeschwader an, überwältigt die Wächter am Eingang des Bienenstocks und erbeutet schließlich die gesamte Brut des Volkes.
Doch die Honigsammlerinnen sind nicht ganz hilflos – bereits zuvor haben Forscher ein erstaunliches Verteidigungskonzept aufgedeckt: Da die Bienen mit ihren Stacheln nur wenig ausrichten können, nehmen sie vor allem die Späher-Hornissen in den Schwitzkasten. Sie bilden dazu eine Traube um das Insekt und erzeugen dadurch tödliche Temperaturen. Doch wie nun die Forscher um Heather Mattila Wellesley College in Massachusetts berichten, ist dies nicht die einzige erstaunliche Verteidigungsstrategie der Asiatischen Honigbienen.
Einem „anrüchigen“ Verhalten auf der Spur
Den Anstoß zur Studie lieferte dabei eine Beobachtung der Forscher im Rahmen von Untersuchungen bei Imkern in Vietnam: Ihnen fielen seltsame Flecken an den Eingängen der Bienenkästen auf. Den Einheimischen zufolge handelte es sich um Tier-Dung und sie brachten dieses Material auch bereits mit einem Effekt gegenüber Hornissenangriffen in Verbindung. So beschlossen die Forscher, dem Phänomen wissenschaftlich auf den Grund zu gehen.
Sie sammelten dazu zunächst den Mist von Wasserbüffeln, Hühnern, Schweinen und Kühen und platzierten ihn in Haufen in der Nähe von Versuchs-Bienenstöcken. Das Team markierte einzelne Bienen, um sie identifizieren zu können, und zeichnete Videos von den Vorgängen an den Misthaufen und an den Stockeingängen auf. So zeigte sich: Die Bienen sammelten bevorzugt den besonders stark riechenden Dung von Schweinen und Hühnern. Sie transportierten die Brocken dann zum Stock und platzierten sie sorgfältig auf den Oberflächen im Eingangsbereich.
Anschließend nahmen die Forscher das Verhalten der Hornissen ins Visier. Dabei zeichnete sich ab: „Je intensiver der Eingang eines Bienenstocks mit den Fäkalien-Flecken übersät war, desto seltener hielten sich dort die Raubinsekten auf”, so Mattila. Derart gerüstete Stöcke waren auch deutlich seltener einem der verheerenden Massenangriffe der Hornissen ausgesetzt, berichten die Wissenschaftler. Sie konnten zudem zeigen, dass die Bienen bei vermehrten Besuchen der Raubinsekten für immer mehr Kot-Barrikaden sorgten. Durch den Kontakt mit einer deutlich weniger gefährlichen Wespenart wurde dieses Verhalten hingegen nicht ausgelöst.
Offenbar hat die Reaktion mit einer flüchtigen Substanz zu tun, ging aus weiteren Experimenten hervor: Die Wissenschaftler extrahierten das Pheromon, das die Späher-Hornissen anwenden, um einen Zielstock zu markieren. Wenn sie diesen Stoff im Eingangsbereich des Bienenstocks applizierten, veranlasste dies die Bienen dazu, mehr Dung aufzutragen, zeigten die Beobachtungen. Bisher können die Forscher nicht genau sagen, was den Abwehreffekt verursacht. Es könnte sein, dass der Geruch der Fäkalien die Hornissen abschreckt. Möglicherweise überdeckt er aber auch die Markierungsstoffe und sorgt dadurch für eine geringere Wahrscheinlichkeit eines Massenangriffs.
Werkzeuggebrauch der besonderen Art
Die Wissenschaftler interpretieren das Verhalten nun als den ersten Nachweis von Werkzeuggebrauch bei Honigbienen. “Wissenschaftler sind sich nicht einig, inwieweit man bei Insekten von Werkzeuggebrauch sprechen kann”, sagt Co-Autor Gard Otis von der University of Guelph in Ontario. Doch er und seine Kollegen sehen im aktuellen Fall die Kriterien erfüllt: “Um sich als Werkzeugbenutzer zu qualifizieren, müssen Tiere mehrere Kriterien erfüllen, darunter die Verwendung eines Objekts aus der Umgebung – in diesem Fall Mist. Die Bienen benutzen das Material eindeutig, um den Bienenstock gezielt zu verändern, zusätzlich zur Erfüllung der Anforderung, das Werkzeug zu halten oder zu manipulieren”, so der Forscher. Seine Kollegin Mattila ergänzt dazu: “Schon allein das Sammeln von Mist ist etwas Neues”, betont die sie. Honigbienen suchen routinemäßig nach Materialien, die von Pflanzen produziert werden – wie Nektar, Pollen und Harz – aber es war bisher nicht bekannt, dass sie feste Materialien aus anderen Quellen sammeln, erklärt die Wissenschaftlerin.
Wie die Forscher abschließend betonen, könnte die Entdeckung auch eine weitreichendere Bedeutung haben: Es besteht die Gefahr, dass sich besonders aggressive asiatische Hornissenarten in den Verbreitungsgebieten der Europäischen Honigbiene (Apis mellifera) ausbreiten. Da diese Bienen das nun entdeckte Verteidigungsverhalten nicht besitzen, könnten sie den Invasoren somit besonders hilflos ausgeliefert sein, so die Wissenschaftler.
Quelle: University of Guelph, Wellesley College, Fachartikel: PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0242668