Maispflanzen, die „wissen“, wie man Freunde gewinnt, könnten Düngemittel einsparen: Forscher haben festgestellt, dass die Wurzeln besonders ertragreicher Maispflanzen verstärkt Stoffe in den Boden abgeben, die hilfreiche Bakterien gedeihen lassen. Diese Mikroben regen die Bildung von Seitenwurzeln an und ermöglichen dadurch eine verbesserte Stickstoffaufnahme aus dem Substrat. Diese Erkenntnisse könnten zur Züchtung von Sorten führen, die weniger Dünger benötigen und somit die Umwelt weniger belasten, sagen die Wissenschaftler.
Lange galten sie vor allem als Bösewichte – doch mittlerweile ist klar, dass spezielle Mikroben für viele Lebewesen wichtige Funktionen erfüllen. Bei Mensch und Tier sorgt eine gesunde Darmflora unter anderem für eine optimale Aufnahme von Nährstoffen und für ein starkes Immunsystem. Bei den Pflanzen ist das Pendant zur Darmflora die Mikrobengesellschaft im Wurzelbereich: Studien haben bereits gezeigt, wie wichtig bestimmte Pilze und Bakterien im Boden für die Nährstoffaufnahme sowie für die Gesundheit der Pflanzen sind.
Bekannt ist zudem, dass einige Pflanzenarten die Ausbildung der günstigen Wechselbeziehungen auch gezielt fördern: Sie geben über die Wurzeln Stoffe in die Erde ab, die das Milieu für ihre mikrobiellen Freunde günstig beeinflussen. Bei der Züchtung wurde dieser Aspekt aber bisher kaum gezielt genutzt. „Die Interaktionen des Wurzelgeflechts mit Bodenorganismen sind auch generell noch immer wenig erforscht“, sagt der Pflanzenforscher Peng Yu von der Universität Bonn. Mit der aktuellen Studie konnten Yu und seine Kollegen nun einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Wechselbeziehungen im Boden leisten.
Geschenke an winzige Freunde
Am Anfang stand dabei zunächst die Klärung der Frage, warum sich verschiedene Maissorten so deutlich in ihrem Ertrag unterscheiden. Auf der Suche nach der Ursache stießen die Forscher schließlich auf eine Besonderheit der leistungsstarken Pflanzen: Sie bilden in ihren Wurzeln verstärkt das Enzym Flavon-Synthase 2. „Die von uns untersuchte Hochleistungs-Zuchtlinie 787 enthält in ihrer Wurzel große Mengen dieser Substanz“, sagt Yu. Wie er erklärt, handelt es sich bei dem Enzym um ein Werkzeug zur Herstellung der eigentlich relevanten Wirksubstanzen: „Die Pflanzen stellen damit bestimmte Moleküle aus der Gruppe der Flavonoide her und entlassen sie in den Boden“, so Yu.
Wie die Forscher erklären, sind Flavonoide vor allem als farbgebende Substanzen in Blüten und Früchten bekannt. Doch offenbar entfalten sie auch im Erdreich eine wichtige Wirkung: Sie sorgen dafür, dass sich bestimmte Bodenbakterien um die Wurzeln herum ansammeln. Wie die Forscher feststellten, handelt es sich dabei um Vertreter der Oxalobacteraceae. Die Gegenwart dieser Mikroben regt wiederum die Bildung von seitlichen Verzweigungen der Wurzeln an, zeigten ihre Untersuchungen. „Dadurch kann der Mais unter anderem mehr Stickstoff aus dem Untergrund aufnehmen“, erläutert Frank Co-Autor Hochholdinger. „Aus diesem Grund wächst die Pflanze dann schneller, vor allem bei knapper Stickstoff-Versorgung.“
Mikroben lassen Wurzeln sprießen
Die Bedeutung der Mikroben-Anreicherung konnten die Forscher durch ihre Experimente eindrucksvoll dokumentieren. Sie nutzten dazu die Mais-Zuchtlinie LH93, die im Vergleich zu Hochleistungs-Sorten eher mickrig wächst. Das ließ sich allerdings ändern, wenn sie diese Pflanzen in Erde setzten, in der zuvor die Linie 787 gewachsen war, die viele Flavonoide in den Boden abgibt: LH93 wuchs in diesem Substrat besonders gut. Der Effekt blieb allerdings aus, wenn die Wissenschaftler den Boden vor dem Umtopfen sterilisierten. Dies bestätigte somit, dass tatsächlich die angereicherten Bakterien für die Wachstumsförderung verantwortlich sind, denn die Sterilisierung hatte sie abgetötet.
Dass der Effekt der Mikroben das Wurzelwachstum fördert, konnten die Wissenschaftler an einer Mais-Mutante verdeutlichen, die normalerweise kaum Seitenwurzeln ausbildet. Bei diesen Pflanzen wirkten die Oxalobakterien wie eine Art Medikament, zeigten die Versuche: Wenn die Forscher sie dem Erdreich zusetzten, verzweigten sich anschließend auch die Wurzeln dieser Mutanten und sorgten für eine verbesserte Nährstoffversorgung. Auf welche Weise die Oxalobakterien zu der intensiveren Durchwurzelung führen, ist bisher allerdings noch unklar. Dieser Frage wollen die Forscher nun durch weitere Untersuchungen nachgehen.
Potenzial für die Pflanzenzucht
Doch bereits jetzt zeichnet sich in den Ergebnissen Potenzial für die Landwirtschaft ab, sagen Yu und seine Kollegen: „Wenn wir Nutzpflanzen daraufhin züchten können, dass sie ihre Nährstoffversorgung durch die Mithilfe von Bakterien selbst erhöhen, könnte das die Umweltbelastungen deutlich reduzieren“, sagt Yu. Dabei steht vor allem der Stickstoff im Vordergrund. Dieser Nährstoff ist für das Pflanzenwachstum zentral wichtig, weshalb der Gehalt im Boden beim Anbau von Nutzpflanzen oft durch Düngemaßnahmen stark erhöht wird.
Dies ist allerdings aus verschiedenen Gründen problematisch: Der Stickstoff kann in Flüsse und Seen oder ins Grundwasser gelangen und dort für negative Effekte sorgen. Außerdem können sich Stickstoffverbindungen in Stickoxide oder Ammoniak-Gas verwandeln und damit unter anderem zum Treibhauseffekt beitragen. Zudem erfordert die Produktion stickstoffhaltiger Düngemittel jede Menge Energie. Das bedeutet: Es ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll, das natürliche Potenzial der Pflanzen zu ihrer eigenen Stickstoffversorgung optimal auszunutzen.
Quelle: Universität Bonn, Fachartikel: Nature Plants, doi: 10.1038/s41477-021-00897-y