Vor rund 395 Millionen Jahren begannen die ersten noch fischähnlichen Wesen, aus dem Wasser ans Land zu kriechen. Doch kamen diese Vorfahren aller Landwirbeltiere aus dem Meer oder aus dem Süßwasser? Bisher vermutete man eher Letzteres, doch neue Daten wiederlegen dies nun. Demnach sprechen die Isotopenwerte der ersten Landgänger-Fossilien eher dafür, dass unsere Ururahnen einst aus Deltas und Flussmündungen mit stark schwankendem Salzgehalt kamen. Die Anpassung an diese wechselnden Bedingungen könnte ihnen auch den Übergang zum Landleben erleichtert haben, mutmaßen die Forscher.
Klar ist: Die Vorfahren aller heutigen Landwirbeltiere kamen einst aus dem Wasser. Als vor rund 395 Millionen Jahren die ersten noch relativ fischähnlichen Wesen an Land robbten und sich nach und nach an diesen neuen Lebensraum anpassten, war dies ein echter Meilenstein der Evolution. “Der Übergang von Fischen zu Tetrapoden repräsentierte einen großen Schritt in der Wirbeltierevolution – er war der Anfang einer Entwicklung, die heute mehr als 300.000 Wirbeltierarten umfasst”, konstatieren Jean Goedert von der Universität Lyon und seine Kollegen. Doch aus welchen Gewässern diese Pioniere des Landgangs einst aufstiegen, war bisher strittig.
Süßwasser oder Meer?
Der Grund: Die meisten Fossilien früher Landgänger wurden in den Gesteinsformationen des sogenannten Old-Red-Sandsteins gefunden, einem während des Devon abgelagerten Sedimentgesteins. Dieses galt bisher als typische Ablagerung von Seen und Tümpeln mit Süßwasser. Folglich gingen Paläontologen lange davon aus, dass auch die Vorfahren der Landwirbeltiere einst in solchen Gewässern lebten. Doch inzwischen haben Forscher einige Fossilien und prähistorische Fußabdrücke entdeckt, die nicht in dieses Bild passen. Dazu gehören unter anderem Spuren, die ein erstes frühes Landwirbeltier vor rund 395 Millionen Jahren an einem ehemaligen Meeresstrand hinterließ. “Diese Funde haben die Debatte um die Lebensräume der frühen Tetrapoden wieder angeheizt”, sagen Goedert und seine Kollegen. “Doch aus Mangel an direkten Umweltmarkern, die die Lebensumstände dieser ersten Tetrapoden verraten, blieb die Frage unbeantwortet.”
Nun jedoch haben die Forscher eine Methode gefunden: Wie sie berichten, spiegelt der Gehalt des Schwefel-34-Isotops in fossilen Knochen den Salzgehalt der einstigen Lebensumgebung dieser Tiere wider. “Diese Isotope eignen sich besonders gut, um aufzuzeigen, ob ein Tier in Süßwasser oder mariner Umgebung lebte”, so die Wissenschaftler. Denn die Isotopenverteilung beider Gewässertypen unterscheiden sich und sie werden in den Knochen von Lebewesen dieser Lebensräume eingelagert und so konserviert. Der Schwefel-34-Wert ist daher bei Meerestieren höher als bei im Süßwasser lebenden Organismen. Diesen Wert haben Goedert und seine Kollegen deshalb nun bei 51 verschiedenen Tetrapodenfossilien aus der Zeit vor rund 365 Millionen Jahren und aus Gesteinsformationen in Grönland und China untersucht.
Angepasst an schwankenden Salzgehalt
Wie die Analysen ergaben, enthielten die Fossilien aus Grönland und China zwischen 12,5 bis 13,8 Promille Schwefel-34. “Diese Werte liegen sehr nahe an denen, die für das Meerwasser des Späten Devon angenommen werden”, berichten die Forscher. Das spreche dafür, dass die frühen Tetrapoden durch eine eher marine Umwelt geprägt waren. Allerdings: Eine ergänzende Analyse von Sauerstoff-Isotopen in den fossilen Knochen ergab Werte, die auf kein ganz reines Meerwasser hindeuten. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die ersten Landgänger und ihre Vorfahren wahrscheinlich in einer Umgebung lebten, die stark und schnell schwankenden Salzgehalten ausgesetzt war. “Die kombinierten Isotopenmessungen zeigen, dass die frühen Tetrapoden euryhalin waren und aquatische Übergangs-Lebensräume bewohnten”, so Goedert und seine Kollegen.
Entgegen bisheriger Annahme kamen die Vorfahren aller Landwirbeltiere und damit auch unsere Ururahnen demnach nicht aus Süßwasser-Seen oder Tümpeln. Stattdessen robbten die ersten Vertreter der Tetrapoden aus dem eher brackigen Wasser von Deltas und Flut ausgesetzten Flussmündungen (Ästuarien) an Land. Ihre Anpassung an den wechselnden Salzgehalt ihres ursprünglichen Lebensraum könnte diesen ersten Landwirbeltieren und ihren Nachfolgern sogar geholfen haben: “Die Euryhalinität könnte es den frühen Tetrapoden erleichtert haben, die zahlriechen biotischen Krisen zu überstehen, die am Ende des Devon eintraten”, erklären Goedert und seine Kollegen. “Später dann ermöglichte dies ihnen, auch terrestrische Habitate zu kolonialisieren.”
Quelle: Jean Goedert (Université Lyon) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0159-2