Ebenso wie Menschen und Tiere haben auch Pflanzen ein eigenes Mikrobiom: Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien helfen ihnen dabei, sich vor Krankheiten zu schützen, Nährstoffe besser zu verwerten und Umweltstress auszuhalten. Eine neue Studie zeigt nun, dass Pflanzen ihr Mikrobiom an ihre Nachkommen weitergeben. So beherbergen eng verwandte Apfelbäume auch ähnliche Bakterien- und Pilzspezies – sie haben diese von ihren gemeinsamen Vorfahren übernommen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue, mikrobiombasierte Züchtungsstrategien, die dabei helfen könnten, Obst und Gemüse fit für die Herausforderungen des Klimawandels zu machen.
Durch den Klimawandel steht die Pflanzenzüchtung vor neuen Herausforderungen: Um Dürren, Extremwetterereignissen, erhöhten Temperaturen und neu auftretenden Krankheitserregern zu trotzen, müssen Kulturpflanzen widerstandsfähiger werden – und zwar möglichst, ohne dass dies zu Ertragseinbußen führt oder die Umwelt weiter belastet. Neben konventionellen Züchtungsmethoden und grüner Gentechnik könnten dabei auch Strategien helfen, die beim Mikrobiom der Pflanzen ansetzen, also bei den Lebensgemeinschaften aus Bakterien und Pilzen, die an den Wurzeln, an der Oberfläche und innerhalb der Pflanzen leben. Dieser Bereich ist allerdings bislang wenig erforscht.
Vererbte Mikroorganismen
Ein Team um Ahmed Abdelfattah von der Technischen Universität Graz hat nun das Mikrobiom verschiedener kultivierter und wilder Apfelbäume verglichen und gezeigt: Das Mikrobiom wird in ähnlichem Maße vererbt wie die Gene. Die Forscher sammelten Triebe von elf verschiedenen Apfelbaum-Arten und erhoben anhand von DNA-Untersuchungen, welche mikrobiellen Spezies darauf lebten. Mit bioinformatischen Verfahren berechneten sie, in welchem Maße sich das Mikrobiom der verschiedenen Arten unterschied und welche Anteile wahrscheinlich von welchem Vorfahren weitergegeben wurden.
Das Ergebnis: „Das Mikrobiom des domestizierten Apfels ist eine Mischung aus seinen wilden Vorfahren“, so die Forscher. „Wir beobachteten eine signifikante Korrelation zwischen dem evolutionären Abstand der Apfel-Arten und ihrem Mikrobiom.“ Den Analysen zufolge haben unsere modernen, gezüchteten Apfelsorten ein besonders vielfältiges Mikrobiom, das in Teilen nach wie vor dem ihrer wilden Vorfahren gleicht. Im Laufe des Züchtungsprozesses sind jedoch einige Mikroorganismen verlorengegangen und neue hinzugekommen.
Mehr Vielfalt dank Kultivierung
„Sowohl die Vielfalt als auch die Anzahl der Mikroorganismen war bei kultivierten Äpfeln und ihren Vorfahren höher als bei wilden Arten“, berichten Abdelfattah und seine Kollegen. „Das widerspricht der verbreiteten Annahme, dass Kultivierung zu einem Rückgang der mikrobiellen Vielfalt führt.“ Die größere Artenvielfalt der Pilze und Bakterien könnte den Forschern zufolge darauf zurückzuführen sein, dass die domestizierten Äpfel mehr Ressourcen und somit eine größere ökologische Nische bieten. „Es könnte sein, dass die Domestizierung der Pflanzen und die Züchtung auf erwünschte Eigenschaften indirekt zu einer Vergrößerung der mikrobiellen Population geführt haben“, so die Forscher.
Wie genau die Apfelbäume ihr Mikrobiom von Generation zu Generation weitergeben, ist noch nicht vollständig geklärt. „Wir vermuten, dass die wichtigsten Mikroorganismen durch vertikale Transmission auf die Nachkommen übergehen und durch positive Selektion gefördert werden“, so die Forscher. Vertikale Transmission bezeichnet einen Prozess, bei dem genetisches Material, Krankheitserreger oder Symbionten direkt von einem Vorfahren an einen Nachkommen weitergegeben, also quasi vererbt werden.
Ansatz für neue Züchtungsstrategien
„Diese Studie belegt die Koevolution zwischen Apfel-Arten und ihrem Mikrobiom während der Domestikation“, schreiben die Forscher. „Dieses Ergebnis hat wichtige Auswirkungen auf zukünftige Züchtungsprogramme und unser Verständnis der Evolution von Pflanzen und ihren Mikrobiomen.“ Denkbar wäre beispielsweise, gezielt Mikroorganismen in die Pflanzen einzubringen, die bestimmte erwünschte Eigenschaften fördern. Geeignet sein könnten solche, die auf wilden Vorfahren zu finden sind und im Laufe der Domestikation verloren gegangen sind. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen im pflanzlichen Mikrobiom vorhergesagt werden können, und unterstützen die Idee, dass mikrobiombasierte Züchtungsstrategien machbar sind“, so die Forscher.
Quelle: Ahmed Abdelfattah (Technische Universität Graz) et al., New Phytologist, doi: 10.1111/nph.17820