Sie zeigt, wie man mit acht Beinen Erstaunliches leisten kann: Die Springspinne „Kim“ hat Wissenschaftlern Einblicke in ihr faszinierendes Sprungtalent gewährt. Sie haben die Körperstrukturen der Krabblerin mit 3D-CT-Scans detailliert erfasst und ihr Sprungverhalten bei verschiedenen Herausforderungen anhand von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen analysiert. Informationen über die ausgeklügelten Konzepte der Springspinnen könnten der Entwicklung von raffinierten Robotern zugute kommen, sagen die Forscher.
Manche bauen filigrane Radnetze, andere lauern in Fallgruben auf Beute… Zu den verschiedenen Jagdstrategien im Reich der Spinnen gehört auch der Überraschungsangriff mittels „Hechtsprung“: Die über 5800 weltweit verbreiteten Arten der Springspinnen (Salticidae) werfen sich mit erstaunlicher Präzision und Reichweite auf Beuteinsekten und nutzen ihr Sprungtalent auch, um sich in ihrem Lebensraum fortzubewegen. Ihre Konzepte sind dabei ausgesprochen ausgereift: Jahrmillionen der Evolution stecken hinter den Fähigkeiten dieser sprunggewaltigen Arachniden.
Vision: Hüpfende Mikroroboter
Ihre Konzepte sind deshalb nicht nur aus biologischer Sicht interessant, sondern auch aus technischer. Ziel der Forscher um Mostafa Nabawy von der University of Manchester ist es, Hintergründe der Entwicklung der speziellen Anatomie und des Verhaltens der Springspinnen aufzuklären. Dies kann sowohl zu einem besseren Verständnis dieser Wesen führen, als auch zu technischen Inspirationen, sagen die Forscher: Das Vorbild der Springspinnen könnte bei der Entwicklung von agilen Mikrorobotern helfen.
Im Rahmen ihrer Studie haben sie die achtbeinigen Springerinnen nun so detailliert untersucht wie nie zuvor. Im Fokus stand dabei eine Spinne, der die Forscher den Spitznamen „Kim“ gegeben haben. Sie gehört zur Art Phidippus regius – einer besonders großen Spezies der meist nur wenige Millimeter großen Vertreterinnen der Springspinnen. Kim ist immerhin 15 Millimeter lang und wiegt 150 Milligramm.
Für die Studie haben die Forscher ihrer kleinen Probandin im Labor einen Parcours mit unterschiedlichen Spring-Herausforderungen aufgebaut: Sie musste verschiedene Entfernungen überwinden, mal nach oben und mal nach unten springen und die Forscher untersuchten auch, wie sie sich auf Beute stürzt. Das Team zeichnete Kim dabei mit Ultra-High-Speed-Kameras auf, um die extrem schnellen Bewegungsabläufe aufschlüsseln zu können. Außerdem haben die Forscher die Körperstrukturen der Spinne mittels hochauflösender Mikro-CT-Scans genau erfasst, um sie am Computer darstellen zu können.
Eine Meisterin in Zeitlupe
Zunächst zeigte Kim grundsätzlich, was sie drauf hatte: “Sie kann aus dem Stand bis zu sechsmal so weit springen, wie ihr Körper lang ist. Der beste Mensch erreicht zum Vergleich nur etwa 1,5 Körperlängen”, sagt Nabawy. “Die Kraft beim Abheben kann dabei dem fünffachen des Gewichts der Spinne entsprechen”, so der Forscher. Die Analysen dokumentierten zudem, dass Kim bei verschiedenen Herausforderungen unterschiedliche Sprungstrategien verwendet. Um kurze Entfernungen zu überwinden, bevorzugt sie demnach eine schnelle, niedrige Flugbahn, die zwar vergleichsweise viel Energie verbraucht, aber Flugzeit minimiert. Dies macht den Sprung genauer und effektiver für den Beutefang, erklären die Forscher. Wenn Kim hingegen ein weiter entferntes Ziel oder eine erhöhte Plattform erreichen will, springt sie vergleichsweise energieeffizient, zeigten die Analysen. Vermutlich kommt ihr dies bei längeren Ausflügen ins Gelände zugute.
Auch dem Antriebssystem haben sich die Forscher gewidmet. Es ist bekannt, dass Insekten beziehungsweise Spinnen verschiedene Mechanismen einsetzen: Neben Muskelkraft gibt es federähnliche Konzepte und auch Systeme, die Flüssigkeitsdruck nutzen. Im Fall der Spinnen ist bekannt, dass sie über solche hydraulischen Elemente in den Beinen verfügen. Wie die Forscher nun dokumentieren konnten, kommen sie aber offenbar nicht beim Springen zum Einsatz: “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kim, obwohl sie ihre Beine hydraulisch bewegen kann, nicht die zusätzliche Kraft aus der Hydraulik benötigt, um ihre außergewöhnliche Sprungkraft zu erreichen”, sagt Nabawy. Die Rolle der hydraulischen Systeme bleibt damit noch ein Aspekt, der weiter aufzuklären ist, sagen die Forscher.
Auch den Prototypen eines winzigen Roboters haben sie bereits gebaut, der die Funktionen der Springspinnen simuliert. Doch bis das Konzept vergleichbare Leistungen wie die natürlichen Vorbilder erbringen kann, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Nabawy und seine Kollegen wollen dabei allerdings am Ball bleiben: Sie versuchen nun, mit ihren Nachbauten den Springmeisterinnen immer näher zu kommen.