Sie sind bereits mit einem scharfen Blick ausgerüstet – doch für die oft leisen Hilferufe von Katastrophenopfern sind Rettungs-Drohnen bisher leider taub. Das wollen Fraunhofer-Forscher nun ändern: Sie entwickeln ein raffiniertes Hörsystem für Drohnen, das durch gerichtete Wahrnehmung Geräusche von Verschütteten präzise orten und mittels künstlicher Intelligenz erkennen kann. Mit den „feinen Ohren“ ausgerüstete Drohnen könnten somit zukünftig Bergungskräfte schnell und präzise zu Einsatzorten leiten, sagen die Wissenschaftler.
Nach Naturkatastrophen oder Bombeneinschlägen zählt jede Minute, um Opfer in den betroffenen Bereichen aufzuspüren und mit Hilfe zu versorgen. Dabei haben sich Drohnen bereits als wichtige Werkzeuge etabliert: Sie können schnell in die oft schwer zugänglichen Gebiete sausen und ein erstes Lagebild liefern sowie helfen, Opfer aufzuspüren. Dabei helfen ihnen hochauflösende Tageslicht- und Wärmebildkameras. Doch unter Trümmern eingeschlossene Opfer bleiben diesen Systemen verborgen und auch bei dichtem Rauch, Nebel und Dunkelheit sind die visuellen Fähigkeiten eingeschränkt.
Verschüttete Opfer können sich allerdings auch durch Rufe, Klopfen oder Klatschen bemerkbar machen. Bisher hat es sich jedoch als schwierig herausgestellt, die surrenden Drohnen mit einer effektiven Hörfähigkeit für diese teils feinen Geräusche auszurüsten. Nun bietet ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) eine technische Lösung für diese Herausforderung. Ihre akustische Ergänzung der Sehfähigkeit von Drohnen nennt sich „Listening system Using a Crow’s nest arraY“, kurz „LUCY“.
Raffinierte Ortung von Geräuschen
Die sensorische Einheit besteht dabei aus einem Gebilde mit Bäumchenstruktur: 48 Mikrofone sind auf einem Array mit einer speziellen geometrischen Anordnung angebracht, sodass Schall aus allen Richtungen erfasst werden kann. Es handelt sich um kleine MEMS-Mikrofone. Sie sind robust und kostengünstig, da sie beispielsweise auch in Smartphones verwendet werden. Der Array ist klein und leicht und kann dadurch problemlos an herkömmlichen Drohnen montiert werden. Wegen der akustischen Überblicks-Fähigkeit bezeichnen die Wissenschaftler das Gebilde als Krähennest-Array. „Der höchste Aussichtspunkt auf Schiffen wird als Crow‘s nest bezeichnet, von dort aus kann man in alle Richtungen sehen. Dies gilt auch für LUCY – unser System kann quasi uneingeschränkt in alle Richtungen hören“, sagt Macarena Varela vom FKIE.
Wie die Wissenschaftler erklären, funktioniert das komplette LUCY-System letztlich ähnlich wie unsere Hörfähigkeit: Schallinformationen werden zunächst durch eine Empfangseinheit – bei uns die beiden Ohren – erfasst und an das Gehirn weiterleitet, wo sie analysiert werden. Bei LUCY ist die 48 Mikrofone umfassende Empfangseinheit mit einem Signalverarbeitungsmodul verbunden, das der Lokalisierung der Schallquellen dient. „Räumliches Hören funktioniert mit 48 und mehr Mikrofonen natürlich besser als mit zwei akustischen Sensoren und auch das gezielte Hören in eine Richtung klappt besser, ebenso wie das Weghören“, sagt Forschungsgruppenleiter Marc Oispuu. Zudem nimmt das System Frequenzen wahr, die das menschliche Ohr nicht registrieren kann, heben die Entwickler hervor.
KI erkennt akustische Not-Signale
Doch was ist mit dem lauten Surren der Drohne und weiteren Störgeräuschen? Sie können durch die Signalverarbeitungseinheit effektiv ausgeblendet werden, erklären die Forscher. Dabei kommen adaptive Filter und auch Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Die KI ist zudem auf das Erkennen von Lautmustern wie Schreien, Schlagen oder Klatschen spezialisiert, mit denen sich Menschen typischerweise in Notfallsituationen bemerkbar machen. Das KI-System wurde dazu mittels einer Geräusch-Datenbank auf die Unterscheidung zwischen relevanten und unwichtigen Geräuschen trainiert, erklären die Entwickler.
Eine mit LUCY ausgerüstete Drohne kann also feinste Geräusche detektieren, ihren Einfallswinkel präzise bestimmen und sie auch klassifizieren. Da das System klein, preisgünstig und leicht ist, könnte es sich im größeren Maßstab im Katastrophenschutz einsetzten lassen, sagen die Entwickler. Die empfangenen Standortdaten können dann an die Rettungsteams übermittelt werden. Etwa auf Tablets erscheinen so die exakten Positionen von Hilfesuchenden in der Katastrophenregion. Die Entwickler arbeiten nun daran, das Systems schon bald für Einsätze verfügbar zu machen. Auch weitere Optimierungen sind geplant: Unter anderem sollen zukünftig die 48 Mikrofone auf 256 ausgebaut werden, um die gerichtete Hellhörigkeit von LUCY noch weiter zu verbessern.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft