Bisher rechnen alle Computer mit binären Daten in Form von Nullen und Einsen – auch Quantencomputer. Doch deren Recheneinheiten können eigentlich mehr Zustände annehmen. Einen Quantencomputer, der mit acht “Quantendigits” statt mit binären Quantenbits rechnet, haben Physiker jetzt konzipiert und getestet. Dabei dient ihnen eine Reihe von Kalzium-Ionen in Ionenfallen als Recheneinheiten. Mithilfe eines Magnetfelds lassen sich diese Teilchen in acht verschiedene, gut unterscheidbare Energiezustände bringen, von denen sieben zum Rechnen verwendet wurden. Im Test rechnete dieser neuartige “Qudit”-Computer ähnlich zuverlässig wie gängige Quantencomputer, wie die Forscher berichten.
Vom Smartphone über den PC bis zu den leistungsfähigsten Supercomputern: Alle gängigen Computer rechnen binär und nutzen Abfolgen von Nullen und Einsen zur Codierung der Information. Dieser Standard für alles Digitale gilt bisher auch für die neueste Rechnertechnologie – die Quantencomputer. Sie lösen Aufgaben durch Atome, Ionen oder virtuelle Teilchen, die dank ihrer Quantennatur das Phänomen der quantenphysikalischen Überlagerung und Verschränkung zeigen. Dies ermöglicht es ihnen beispielsweise, alle möglichen Lösungen einer Rechenoperation parallel zu überprüfen und so schneller zu sein als herkömmliche elektronische Computer. Erste Quantencomputer haben diese Überlegenheit gegenüber Supercomputern bereits gezeigt, wenn auch nur bei bestimmten Aufgaben.
Quantendigits statt Quantenbits
Doch bisher arbeiten die gängigen Quantencomputer gewissermaßen mit gebremster Leistung. Denn um logische Strukturen und Abläufe aus herkömmlichen Computern leichter auf die Quantenrechner übertragen zu können, arbeiten auch sie bisher im binären Modus. „Die physikalischen Bausteine des Quantencomputers können allerdings deutlich mehr als nur Null und Eins“, erklärt Erstautor Martin Ringbauer von der Universität Innsbruck. „Die Einschränkung auf binäre Systeme nimmt diesen Computern viel von ihrem echten Potenzial.“ Um die Quantenteilchen binär zu machen, werden meist zwei gut unterscheidbare physikalische Zustände als Null und Eins ausgewählt – beispielsweise zwei Energiezustände eines Ions. Das macht auch das Auslesen vergleichsweise verlässlich und wenig fehleranfällig. Doch ein solches Teilchen kann je nach Anregung noch viele weitere Energiezustände einnehmen.
Ringbauer und seine Kollegen haben nun einen Quantencomputer entwickelt und getestet, der dieses Potenzial voll ausnutzen und damit mehr Rechenleistung mit weniger Quantenteilchen erreichen kann. “Im Innsbrucker Quantencomputer wird Information in einzelnen gefangenen Kalziumatomen gespeichert, die jeweils acht Zustände haben, von denen bisher aber nur zwei zum Rechnen verwendet wurden“, erklärt Ringbauers Kollege Thomas Monz. Für ihr Experiment entwickelten die Physiker aber eine Technik, durch die alle acht Zustände zum Speichern von Informationen genutzt werden können. Statt binärer Quantenbits fungieren die Ionen damit als Quantendigits, kurz Qudits. Sieben Zustände dienten dabei als aktive Informationsträger, das achte Energieniveau war für das mehrschrittige Auslesen reserviert. Dabei wird nach und nach über Fluoreszenzmessungen das Energieniveau der Qudits abgefragt.
Vorteil für viele Anwendungen
Für das praktische Rechnen mit ihrem Qudit-Quantencomputer verkoppelten sie die Ionen zu logischen Gates, durch die verschiedene Rechenoperationen möglich wurden. Die ersten Tests ergaben, dass der neue Quantencomputer genauso verlässlich arbeitet, wie einer mit nur Nullen und Einsen. “Wir demonstrieren damit einen universellen Qudit-Quantenprozessor, der auf Basis von gängiger Ionenfallen-Hardware funktioniert”, schreiben Ringbauer und seine Kollegen. Er könnte Vorteile für viele Anwendungen bringen, denn viele der Aufgaben für Quantencomputer, wie in der Physik, Chemie oder den Materialwissenschaften, müssen erst für das binäre Rechnen umgeschrieben werden und werden dadurch komplizierter. „Mit mehr als Null und Eins zu rechnen, ist nicht nur optimal für die Quantencomputer, sondern auch deutlich natürlicher für viele Anwendungen“, sagt Ringbauer. „Dieser Ansatz ermöglicht es uns, das volle Potenzial unserer Quantencomputer auszuschöpfen“.
Quelle: Martin Ringbauer (Universität Innsbruck) et al., Nature Physics, doi: 10.1038/s41567-022-01658-0