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Mit grünen Winzlingen zum Roten Planeten

Cyanobakterien für Lebenserhaltungssysteme

Mit grünen Winzlingen zum Roten Planeten
In dem Unterdruck-Photobioreaktor „Atmos“ wachsen die bläulich grünen Cyanobakterien bei unterschiedlichen Testbedingungen. (Bild: C. VERSEUX / ZARM)

Den Reifenspuren von Mars-Rovern wie „Perseverance“ sollen eines Tages Fußabdrücke folgen – die Raumfahrtbehörden tüfteln derzeit an Konzepten für bemannte Missionen zu unserem Nachbarplaneten. Für die Entwicklung der dafür nötigen Lebenserhaltungssysteme haben deutsche Forscher nun das Potenzial leistungsstarker Mikroben aufgezeigt: Die Photosynthese betreibenden Cyanobakterien könnten sich demnach auf dem Mars mit vergleichsweise geringem Aufwand züchten lassen, zeigen ihre Experimente. Die Winzlinge könnten nachhaltig Sauerstoff und Biomasse produzieren, um den „Marsianern“ ein weitgehend autarkes Leben zu ermöglichen.

Der nächste große Schritt der Menschheit soll auf unseren Nachbarplaneten führen: Ähnlich wie vor der Mondlandung 1969 wird momentan an Konzepten für eine bemannte Marslandung gearbeitet. Nach den etwa neun Monate dauernden Reisen zum Mars sind allerdings längere Aufenthalte geplant. Bei den damit verbundenen Herausforderungen gilt der Grundsatz: Sparen! Denn wegen der enormen Transportkosten sollte so wenig wie möglich Material von der Erde mitgenommen werden, um für die Ausstattung und Verpflegung der Astronauten zu sorgen. Ideal wären demnach Herstellungsmöglichkeiten für Rohstoffe auf dem Mars sowie höchste Effizienz und Nachhaltigkeit im Umgang mit den Ressourcen.

Ein Lösungsansatz dazu sind biologische Systeme – sogenannte bioregenerative Lebenserhaltungssysteme, bei denen Lebewesen zur Erzeugung von Sauerstoff, der Aufbereitung von Abfällen und der Biomasseproduktion zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang loten die Forscher um Cyprien Verseux vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen das Potenzial der Cyanobakterien aus. Berühmt-berüchtigt sind diese Mikroben vor allem als sogenannte Blaualgen, die im Sommer Seen mit grünem Schleim überziehen. Es handelt sich aber eigentlich nicht um Algen oder Pflanzen, sondern um Bakterien, die zur Photosynthese fähig sind.

Erstaunlich leistungsstarke Mikroben

Die Cyanobakterien gehören zu den ältesten Lebewesen der Erde – ihr Erfolgsrezept war und ist dabei extremes Anpassungsvermögen und eine erstaunliche Genügsamkeit. Als Kohlenstoffquelle nehmen sie atmosphärisches CO2 auf und sie sind zudem zu einer Fixierung von Luftstickstoff fähig. Zusätzlich benötigen sie nur noch geringe Mengen weiterer Nährstoffe, um in wässrigen Lösungen zu gedeihen. Dabei bilden sie Biomasse und setzten das Atemgas Sauerstoff frei.

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Inwieweit ihnen dies auch mit vergleichsweise geringem Aufwand auf dem Mars gelingen könnte, untersuchen Verseux und seine Kollegen in einem atmosphärengesteuerten Unterdruck-Photobioreaktor namens „Atmos“ (Atmosphere Tester for Mars-bound Organic Systems). Darin setzten die Wissenschaftler Cyanobakterien aus der Gattung Anabaena verschiedenen Gaskonzentrationen und Druckbedingungen aus und versorgen sie mit Mineralien, wie sie im Marsgestein (Regolith) vorkommen.

Die dünne Marsatmosphäre bietet prinzipiell die gleichen Gase wie die irdische Luft, allerdings in anderen Konzentrationen und vor allem ist der Luftdruck viel geringer als auf der Erde. Er beträgt auf der Oberfläche im Schnitt nur 6,36 Hektopascal – im Vergleich zu durchschnittlich 1013 Hektopascal auf der Erde. Bei ihren Experimenten haben die Forscher nun die Anteile der Gase sowie den Umgebungsdruck schrittweise verändert und die entsprechende Entwicklung der Cyanobakterien untersucht. Das Ziel war dabei, sich so weit wie möglich den Marsbedingungen anzunähern, während gleichzeitig noch ein starkes Wachstum der Cyanobakterien erhalten bleibt.

Ideale Kandidaten für schlanke Konzepte

Wie die Forscher berichten, kamen sie dabei zu vielversprechenden Ergebnissen: Es zeigte sich, dass sich die Cyanobakterien immer noch gut vermehrten, wenn sie einer Atmosphäre ausgesetzt waren, die aus vier Prozent Kohlendioxid und 96 Stickstoff bestand, und vor allem reichte dabei ein atmosphärischer Druck von nur 100 Hektopascal aus. Diese Ergebnisse sind sehr vielversprechend, denn demnach wäre vergleichsweise wenig Aufwand bei der technisch-logistischen Umsetzung eines bioregenerativen Lebenserhaltungssystems auf der Marsoberfläche nötig, erklären die Forscher. Zum einen, da der Druckunterschied zwischen Innen- und Außenseite des Photobioreaktors nur gering sein müsste und somit weniger hohe Ansprüche an die Statik der Konstruktion gestellt werden. Zum anderen wäre es leicht möglich, das benötigte Gasgemisch aus der lokalen Atmosphäre zu erzeugen.

Sonstige Nährstoffe, die für das Wachstum der Bakterien nötig sind, lassen sich ebenfalls problemlos vor Ort aus dem Marsgestein gewinnen, zeigen die Ergebnisse der Forscher: Simulierter Marsboden ließ die grünen Winzlinge demnach ohne zusätzliche Nährstoffe prächtig gedeihen. Untersuchungen der entstandenen Biomasse haben außerdem gezeigt, dass sie sich als Substrat für verschiedene weitere Anwendungen eignen könnte, um auf dem Mars wertvolle Ressourcen zu generieren. Die aktuellen Ergebnisse rücken die Cyanobakterien somit weiter ins Zentrum bei der Entwicklung von Lebenserhaltungssystemen für bemannte Mars-Missionen, resümieren die Wissenschaftler. Verseux und sein Team werden nun die „außerirdischen“ Wachstumsbedingungen für die Cyanobakterien weiter optimieren, um das Potenzial dieser faszinierenden Lebewesen für die Raumfahrt bestmöglich auszuschöpfen.

Quelle: Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen, Fachartikel: Front. Microbiol., doi: 10.3389/fmicb.2021.611798

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