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Klappt die Fusion im Becherglas doch?

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Klappt die Fusion im Becherglas doch?
Bis 2015 entsteht im französischen Cardarache mit dem milliardenteuren ITER der erste Fusionsreaktor, der mehr Energie liefern als verbrauchen soll. Viel einfacher meinen amerikanische Physiker mit einer Fusion im Becherglas an dieses Ziel zur Lösung aller Energieprobleme kommen zu können: Kollabierende Blasen, angeregt mit Ultraschallwellen und mit Neutronen betrahlt, sollen den Schlüssel zu einer Fusion von schweren Wasserstoffkernen (Deuterium) bilden. Ihre in der Fachwelt skeptisch aufgenommenen Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachblatt Nuclear Engineering and Design, Bd. 235, S. 1317

Yiban Xu und Adam Butt von der Purdue University in Indiana füllten für ihr Fusionsexperiment Aceton, das statt einfachen Wasserstoffs das schwerere Isotop Deuterium enthielt, in einen Reaktionsbehälter. Darauf leiteten sie energiereiche Neutronen von einer radioaktiven Quelle aus Californium-252. Es bildeten sich Blasen, die durch Ultraschallwellen weiter zum Wachstum angeregt wurden. Beim Zerplatzen kommt es zu einem physikalischen Phänomen, der Sonolumineszenz: Licht wird ausgesendet. Xu und Butt meinen jedoch, dass bei diesem Kollaps auch Temperaturen von rund einer Million Grad für einen extrem kurzen Zeitraum auftreten. Das wäre heiß genug, um die Deuterium-Kerne des Acetons zu dem superschweren Wasserstoff Tritium oder gar zu leichtem Helium-3 zu verschmelzen.

Als Beweis für eine erfolgreiche Kernfusion legten Xu und Butt Messungen von Neutronen vor, die ihrer Ansicht nach nur bei einer Fusion entstanden sein können. In einem Vergleichsexperiment mit normalem Aceton seien diese Neutronen dagegen nicht nachweisbar gewesen. Trotz dieses Indizes zweifeln andere Physiker an dieser “Sono-Fusion”: Californium-252 liefere mit rund zwei Millionen Neutronen pro Sekunde zuviele dieser Teilchen, als dass sie von den in einer Fusion freigesetzten Neutronen zu unterscheiden wären.

Bereits vor drei Jahren erregte das Team um Rusi Taleyarkhan am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee großes Aufsehen mit einem ähnlichen Experiment. Auch sie nutzten Aceton und den Effekt der Sonomunineszenz. Doch griffen sie nicht auf eine kontinuierliche, sondern eine gepulste Neutronenquelle zurück. Schon damals wuchsen die Blasen auf einen Durchmesser von rund einem Millimeter an. Bei der folgenden Implosion der Blasen wurde Energie frei. Reichte dieser Effekt bisher nur zu einem kurzen Aufleuchten dieser “Kavitationsblasen” aus, sollten so hohe Temperaturen erreicht worden sein, um zwei Deuterium-Atome zu einem Heliumkern zu verschmelzen. Neutronen mit etwa 2,45 Millionen Elektronenvolt Energie galten als Indiz für eine erfolgreiche Fusion. Doch niemand konnte dieses Experiment bisher wiederholen.

“Wissenschaftler werden und sollten skeptisch bleiben, bis dieses Experiment von anderen reproduziert werden konnte”, dämpfte Fred Becchetti von der University of Michigan bereits vor drei Jahren nach den ersten Sonolumineszenz-Versuchen zu große Erwartungen. Denn eine Kernfusion mit einem extrem einfachen Aufbau ohne milliardenteure Plasma-Reaktoren versprachen bereits 1989 Martin Fleischmann und Stanley Ponds von der University of Utah. Ihre “Kalte Fusion” erwies sich bereits nach wenigen Monaten als Flop und entwickelte sich zum größten Wissenschaftsskandal in der jüngeren Geschichte.

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Taleyarkhan und Kollegen waren sich dieser Gefahr, ihren wissenschaftlichen Ruf und das ihres Labors mit dieser Sensationsmeldung zu ruinieren, durchaus bewusst. Dan Shapira und Michael Saltmarsh, ebenfalls zwei Forscher in Oak Ridge, wiederholten daher das Experiment mit einem empfindlicheren Neutronendetektor. “Wir fanden keinen Hinweis auf irgendein Neutron, dass durch Fusion entstanden sein könnte”, fasste Saltmarsh die Ergebnisse zusammen. Genauso kritisch werden nun wieder Physiker die aktuellen Ergebnisse der Purdue-Forscher, die auch von Taleyarkhan unterstützt werden, überprüfen.

Jan Oliver Löfken
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