Eine Bohrmaschine schafft 3000, eine schnelle Waschmaschine 1600 Umdrehungen pro Minute (UpM). Da klingen 5000 Umdrehungen rasant. So schnell sind Dreh-, Fräs- und Schleifmaschinen, mit der Metall und andere Materialien bearbeitet werden. Das sind aber nicht die allerneuesten Modelle. Die besten Maschinen schaffen heute zwischen 18 000 und 42 000 UpM. Neue Anforderungen an die Qualität von Oberflächen, die durch Drehen, Fräsen und Schleifen bearbeitet werden, und neue Materialien wie Leichtmetalle und Titan erfordern solche hohen Drehzahlen. Manche Industriezweige wie Medizintechnik und Flugzeugbau verlangen höchste Präzision in der Oberflächenbearbeitung. Und in aller Regel gilt: Je höher die Drehzahl, mit der die Oberflächen gedreht und gefräst werden, desto höher auch deren Qualität. Im „ High-Speed-Cutting”- Bearbeitungszentrum der Firma Gildemeister in Bielefeld, des größten Werkzeugmaschinenherstellers in Deutschland, werden Werkstücke mit bis zu 42 000 Umdrehungen pro Minute behandelt. Dadurch können die Materialien sehr genau bearbeitet werden. Eine derart hohe Präzision erfordern Produkte wie Uhrenplatinen aus Leichtmetall, Propeller aus Aluminium und Prägestempel aus gehärtetem Stahl. Früher, als die Hersteller noch mit geringeren Drehzahlen drehten und frästen, mussten sie die entstandenen Oberflächen zusätzlich polieren. Das ist heute nicht mehr nötig. Doch für Drehzahlen über 18 000 UpM kann man nicht einfach einen schnelleren Motor in die Werkzeugmaschine einbauen und das Bauprinzip unverändert lassen, das so aussieht: Ein Motor ist durch ein Getriebe oder einen Riemen mit der Arbeitsspindel verbunden, jenem Bauteil, das das Werkstück oder das Werkzeug antreibt. So wären hohe Drehzahlen gar nicht oder nur mit erheblich größerem Aufwand möglich.
Deshalb haben sich im Werkzeugmaschinenbau inzwischen sogenannte Motorspindeln etabliert: integrierte Bauteile, die ohne Getriebe auskommen und hohe Drehzahlen ermöglichen. Die Franz Kessler GmbH aus Bad Buchau nahe Ulm, ehemals Hersteller von Elektromotoren, hat sich auf Motorspindeln spezialisiert. Franz Kessler gehört weltweit zu den führenden Herstellern. Das Unternehmen baut 8000 Motorspindeln im Jahr – auch solche, die in den High-Speed-Cutting-Maschinen von Gildemeister verbaut sind. Die Motorspindeln müssen aber nicht nur eine präzise Materialbearbeitung ermöglichen, sondern auch lange halten. „ Unsere Spindeln laufen 7000 Stunden pro Jahr”, erklärt Geschäftsführer Eckhard Herwanger. „Rechnet man das auf ein Auto um, würde es bei einem Durchschnittstempo von 60 Kilometern pro Stunde 420 000 Kilometer im Jahr fahren.”
von Konstantin Zurawski
Alles in einem
Ein Elektromotor erzeugt die Drehbewegung in Werkzeugmaschinen. Sie wird von einem Getriebe, Riemen oder einem anderen Bauteil zur Antriebsspindel übertragen. Die Antriebsspindel wiederum ist mit dem Werkzeug oder Werkstück verbunden – je nachdem, welches Teil fest und welches beweglich ist. Getriebe haben zwar den Vorteil, dass sie variable Drehzahlen und Drehmomente ermöglichen. Je nach dem eingelegten Gang dreht sich der Bohrer dann schneller oder langsamer. Doch hohe Drehzahlen von etwa 20 000 Umdrehungen pro Minute sind mit diesem Antriebsprinzip nur schwer zu erreichen. Denn je höher die Drehzahl im Getriebe wird, desto größer sind die Reibungsverluste. Eine Werkzeugmaschine mit Getriebe und hohen Drehzahlen zu bauen, wäre daher nicht wirtschaftlich. Das Antriebsprinzip von Motorspindeln ist ein anderes: Eine Motorspindel ist eine Kombination aus Motor und Antriebsspindel. Ein Getriebe gibt es nicht mehr, auch keine anderen Übertragungselemente. Die vom Elektromotor erzeugte Drehbewegung geht direkt auf die Antriebsspindel über. Drehzahl und Drehmoment sind bei diesem Prinzip nicht mehr variabel.
Ohne Titel
Das Unternehmen …
Auch die Franz Kessler GmbH hat mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen. „Wir bemerken einen deutlichen Auftragsrückgang”, sagt Geschäftsführer Eckhard Herwanger. Trotzdem ist er zuversichtlich, denn in den vergangenen acht Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl verdoppelt und der Umsatz vervierfacht. Angefangen hat alles 1923, als Franz Kessler ein Spezialmotorenwerk für Werkzeug- und Textilmaschinen im sächsischen Chemnitz gründete. Bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik stark beschädigt. 1950 zog die Firma nach Bad Buchau um, wo die Produktionsfläche inzwischen 21 000 Quadratmeter beträgt. 1978 wurde die Franz Kessler Gemeinnützige Stiftungsgesellschaft gegründet, die bis heute Hauptgesellschafter des Bad Buchauer Unternehmens ist und soziale Projekte unterstützt. Technologisch erfolgte in den 1990er-Jahren ein entscheidender Schritt: 1993 begannen die Ingenieure des Unternehmens mit der Entwicklung der ersten kompakten Motorspindel. Ein Jahr später erhielt Franz Kessler für den Bau einer solchen Motorspindel für Bearbeitungszentren des Werkzeug- und Formenbaus den Dr.-Rudolf-Eberle-Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg. 2007 übernahm Franz Kessler den Spindelbereich des italienischen Unternehmens Gamfior. Heute machen Motorspindeln rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes aus. Die Franz Kessler GmbH beschäftigt 70 Auszubildende und fördert Studenten mit Stipendien. „Uns fehlen Fachkräfte, da müssen wir selbst etwas tun”, sagt Eckhard Herwanger.
… in Zahlen
Gründung: 1923
Geschäftsführer: Eckhard Herwanger
Mitarbeiter: 580
Umsatz 2008: 90 Millionen Euro
Internet: www.franz-kessler.de
INFO: info@franz-kessler.de