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Hart an der Grenze

Technik|Digitales

Hart an der Grenze

MARMOR, STEIN UND EISEN BRICHT, aber Diamanten nicht! So könnte ein musikalischer Materialforscher dem kostbaren Kristall huldigen, als dem härtesten praxistauglichen Material der Erde. Diamantschichten schützen Werkzeug vor Verschleiß. Allerdings hat der schöne Stein eine Schwäche: seine ungleichmäßige Härte – nur deshalb lässt sich ein Rohdiamant schleifen. Materialforscher suchen seit Langem nach noch Widerstandsfähigerem. Einen Volltreffer landeten Wissenschaftler vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth 2005: Aus Fulleren, einer Kohlenstoff-Modifikation, erzeugten sie ein Material, das fester ist als natürlicher Diamant (bild der wissenschaft 3/2007: „Die absolute Härte”).

Das Material, das aus verklumpten, wenige Nanometer (Milliardstel Meter) dünnen Diamantstäbchen besteht, erhielt den Namen Aggregated Diamond Nanorods, kurz ADNR. Zur Herstellung der ADNR hatten die Bayreuther Forscher um Natalia Dubrovinskaia, Leonid Dubrovinsky und Falko Langenhorst die Bedingungen im Erdinneren nachgeahmt: fast 200 000-facher Atmosphärendruck und Temperaturen um 2200 Grad Celsius.

Es folgte die Anmeldung zum Patent. Industrieunternehmen bekundeten Interesse – das unzerstörbare Werkzeug schien in greifbarer Nähe. Die Erfinderin Natalia Dubrovinskaia wurde von der US-Zeitschrift „Scientific American” unter die 50 Spitzenforscher des Jahres 2006 gewählt. „Ich erhalte noch immer Anfragen, ob das Produkt schon auf dem Markt erhältlich ist”, sagt sie heute. Das ist es aber nicht. Der Grund: Die großen Mengen an ADNR, wie sie für technische Tests von den potenziellen Partnern verlangt werden, können die Bayreuther in ihrem Forschungslabor nicht herstellen.

Und: Die weltweite Konkurrenz hat nicht geschlafen. Ein Team um den japanischen Wissenschaftler Tetsuo Irifune an der Ehime-Universität entwickelte etwa zeitgleich mit den ADNR ein ähnliches Material – und es gibt bereits erste Produkte: 2012 hat die Firma Sumitomo Electric Präzisions-Schneidwerkzeuge mit japanischem Nano-Polydiamant auf den Markt gebracht.

„Nanokristalline Diamanten wie Nano-Polydiamant und ADNR sind auch für den wissenschaftlichen Fortschritt von Bedeutung”, tröstet sich Dubrovinskaia über die verpasste industrielle Nutzung ihrer Entwicklung hinweg. Tatsächlich gelang den Materialforschern aus Bayreuth kürzlich ein wissenschaftlicher Coup mit ihren Nanodiamanten. Aus sogenanntem glasigem Kohlenstoff stellte das Team um Natalia Dubrovinskaia und Leonid Dubrovinsky nur wenige Hundertstel Millimeter große Mikrobälle aus Nanodiamanten her. Die testeten sie in einer üblichen Diamant-Stempelzelle, einer Apparatur zum Erzeugen sehr hoher Drücke.

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Das Ergebnis: Mit je einem der superharten nanodiamantenen Mikrobälle auf den Kontaktflächen der Stempelzelle verdreifachte sich der damit erzeugbare Druck auf bis zu 640 Gigapascal, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications” berichteten. Das ist ein um 50 Prozent höherer Druck, als er jemals zuvor im Labor erreicht wurde. Zum Vergleich: Der Kompressionsmodul von natürlichem Diamant beträgt 442 Gigapascal.

„Alle Entdeckungen, die in diesem Druckbereich gemacht werden, versprechen sehr spannend zu sein”, ist Natalia Dubrovinskaia überzeugt. Theoretische Annahmen legen nahe, dass unter solch extremem Druck auch Substanzen wie Diamant oder Wasserstoff metallischen Charakter annehmen und elektrischen Strom leiten können. Vielleicht machen derartige Perspektiven auch den kooperationsscheuen Industriepartnern hierzulande etwas Druck. Maria Bongartz ■

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