Nahe dem absoluten Nullpunkt bei minus 273,15 Grad Celsius gelten für Atome neue Gesetze. So können sie sich zu so genannten Bose-Einstein-Kondensaten (BEK) zusammenballen, in denen Tausende von Atomen ein und denselben Quantenzustand einnehmen ? bei Raumtemperatur undenkbar. Nun schafften es Physiker von der Universität Stuttgart, ein solches “Supermolekül” aus bis zu 100 000 Chrom-Atomen zu bilden. Im Unterschied zu den bisherigen BEKs aus Rubidium, Natrium oder Kalium sticht das neue Kondensat mit vielfach stärkeren magnetischen Momenten heraus: Die experimentelle Entschlüssleung neuer Quanteneffekte lockt.
Tilman Pfau und sein Team vom 5. Physikalischen Institut kühlten ihre Metallatome auf lediglich 625 Nanokelvin ab und sehen in ihnen eine Grundlage für zahlreiche neue Quantenexperimente. “Ein Bose-Einstein-Kondensat aus Chrom öffnet weit die Tür für Versuche von dipolaren Wechselwirkungen über weite Strecken in so genannten degenerierten Quantengasen”, heißt es in einer Institutsveröffentlichung. Das klingt erst komplex, bedeutet aber die Möglichkeit von Experimenten, die bisher nur in der Theorie beschrieben werden konnten. Ein Beispiel wäre die Bildung eines Atompaars aus Chrom, dass sich nach einer Kollision kurz stabilisiert. Diese so genannte Feshbach-Resonanz wirkt bisher nur über kurze Abstände. Bei Chrom könnte sie wegen des großen magnetischen Moments mit weiterer Reichweite existieren.
Da Chrom auch als Standardmaterial in dem Strukturierungsverfahren der Atom-Lithografie gilt, sieht Pfau hier weiteres Potenzial für sein neues Bose-Einstein-Kondensat. So könnte es als Basis für eine kohärente Atomquelle, einen Atomlaser, dienen, mit dem sich komplexe Nanostrukturen bilden ließen. Der Fachwelt haben die Stuttgarter Physiker ihre Ergebnisse in der Datenbank arXiv.org zur Diskussion gestellt.
Jan Oliver Löfken
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