Vorreiter für die Schifffahrt: Künftig wird auf der Nordsee ein mit Methanol angetriebenes Schiff unterwegs sein. Der Forschungskutter “Uthörn” wird das erste deutsche Seeschiff, das diesen umwelt- und klimafreundlichen Kraftstoff statt Schiffsdiesel oder Schweröl nutzen wird. Das Methanol für den Kraftstoff soll ohne fossile Brennstoffe mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen werden. Das macht den Schiffsantrieb nahezu CO2-neutral.
Seit 1982 läuft das 30 Meter lange Forschungsschiff Uthörn des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) regelmäßig mit Studierenden der Meereswissenschaften in die Nordsee aus. Auf den Fahrten lernen diese den sicheren Umgang mit Schiff und Forschungsgerät. Zudem misst das Schiff rund um Helgoland regelmäßig den physikalischen, chemischen und biologischen Zustand der Nordsee und liefert so wertvolle Langzeitdaten.
Methanol statt Schiffsdiesel
Nach nun rund 40 Jahren wird es nun eine Nachfolgerin für die Uthörn geben: Das neue, 35 Meter lange Forschungsschiff wird derzeit auf der Fassmer-Werft im niedersächsischen Berne gebaut und soll im Oktober 2022 einsatzbereit sein. Neben seiner moderneren Ausstattung unterscheidet sich das Schiff vor allem in seiner Antriebstechnik von der alten Uthörn. Denn als erstes deutsches Seeschiff wird es mit einem Methanol-Antrieb ausgestattet. Methanol ist ein flüssiger und brennbarer Alkohol, der aus fossilen Brennstoffen, aus Zellstoff, Biomasse, Abfall oder auch direkt aus Kohlendioxid gewonnen werden kann.
Bei der Verbrennung von Methanols in Motoren wird nur das Kohlendioxid frei, das zuvor aus dem Ausgangsprodukt oder der Luft im Methanol gebunden wurde. Theoretisch kann der Methanolantrieb daher CO2-neutral sein – sofern er nicht aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Zudem werden weniger Feinstaub oder andere Luftschadstoffe freigesetzt als bei Schiffsdiesel oder Schweröl. Bisher ist Methanol als Kraftstoff in der Seeschifffahrt ein neues und bislang kaum erprobtes Konzept. Dennoch gibt es erfolgreiche Vorbilder. So hat die schwedische Behörde für See- und Binnenschifffahrt in einem Pilotprojekt ein existierendes Lotsenversetzboot mit einem auf Methanolverbrennung umgerüsteten Dieselmotor ausgestattet und gute Erfahrungen gesammelt.
Vorbild für „grünere“ Schifffahrt
„Der größte Vorteil ist die Möglichkeit, ‚grünes‘ Methanol zu verwenden“, so Antje Boetius. „Sobald dessen Produktion mit erneuerbaren Energien gekoppelt wird, lässt sich das Schiff nahezu CO2-neutral betreiben.“ Um den Nachschub zu sichern, soll ein Liefervertrag für grünes Methanol vereinbart werden. Mittelfristig ist es jedoch das Ziel, das „grüne“ Methanol direkt vor Ort in Bremerhaven zu produzieren. Dort entsteht derzeit ein großes Kompetenzzentrum für Wasserstoff. In einem Modellprojekt soll mit dem regenerativen Strom einer Acht-Megawatt-Windenergieanlage Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden. Aus diesem Wasserstoff und dem Kohlendioxid aus einer nahen Kläranlage könnte dann im nächsten Schritt „grünes“ Methanol synthetisiert werden.
Der neue Antrieb bringt noch weitere Umwelt-Vorteile. „Methanol löst sich sehr gut in Wasser, Bakterien vertilgen es sofort, so dass es im Falle eines Unfalls keine große Umweltgefahr darstellt“, erläutert Boetius. Hinzu kommt auch eine geringe Ruß-Verschmutzung der Luft. „Bei der Verbrennung des Alkohols Methanol gelangen deutlich weniger Rußpartikel in die Luft als bei Benzin, Diesel oder Schweröl“, sagen Boetius Kollegen Marius Hirsekorn und Michael Klages. „Eine Herausforderung ist allerdings die im Vergleich zum Diesel nur halb so hohe Energiedichte des Alkohols. Die neue Uthörn bekommt deshalb deutlich größere Treibstofftanks, damit sie genügend Methanol für eine weiterhin hohe Reichweite bunkern kann,“.
Sollte der Neubau des Forschungskutters sich bewähren, könnte er einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern. Als erstes deutsches Seeschiff mit Methanolantrieb könnte die Uthörn ein wichtiges Praxisbeispiel werden und die Seeschifffahrt womöglich langfristig deutlich „grüner“ machen, hoffen Boetius und ihre Kollegen.
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung