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Eisenerzpulver als Wasserstoffspeicher

Technik|Digitales

Eisenerzpulver als Wasserstoffspeicher
Reaktortank
Eisenerzpulver in einem Edelstahltank kann reversibel Wasserstoff erzeugen und damit Energie speichern. © ETH Zürich

Bisher mangelt es an Technologien, um Strom aus erneuerbaren Energien und Wasserstoff längere Zeit effizient zu speichern. Jetzt schlagen Forscher dafür eine Methode vor, die mehr als 120 Jahre alt ist: das Eisen-Dampf-Verfahren. Bei diesem reduziert Wasserstoff Eisenerz-Pellets zu metallischem Eisen. Wird der Wasserstoff später wieder benötigt, leitet man heißen Wasserdampf darüber, wodurch das Eisen wieder oxidiert und der Wasserstoff frei wird. Tests in einer Pilotanlage ergaben, dass diese Methode platzsparender und günstiger ist als die meisten anderen zurzeit erprobten Speichertechniken für Wasserstoffgas. Die Effizienz war allerdings nach Abzug der nötigen Energiezufuhr mit gut elf Prozent noch eher gering. Die Forscher gehen aber davon aus, dass bei größeren Anlagen eine Effizienz von bis zu 79 Prozent erreichbar wären. Damit könnten solche Systeme einen Beitrag zur saisonalen Speicherung von Wasserstoff und damit zur Energiewende leisten.

Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind gilt als wichtiges Standbein der Energiewende. Allerdings sind beide Energiequellen nicht gleichmäßig verfügbar. Vor allem die mittels Photovoltaik nutzbare Solarenergie schwankt in unseren Breiten stark mit den Jahreszeiten. Während Solaranlagen im Sommer häufig mehr Strom erzeugen, als das Netz aufnehmen kann, herrscht im Winter eher Mangel. Schon länger wird daher nach möglichst effizienten Methoden gesucht, um den überschüssigen Strom in saisonalen Speichern zwischenzulagern. Neben großen Batteriespeichern besteht eine Möglichkeit darin, die überschüssige elektrische Energie für reversible chemische Umwandlungsprozesse zu nutzen, beispielsweise indem mit dem Strom Wasserstoff mittels Elektrolyse erzeugt wird. Dieser kann dann im Winter oder zu anderen Strommangelzeiten in Brennstoffzellen oder über die Verbrennung wieder zur Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt werden. Doch dafür muss auch der Wasserstoff monatelange sicher und effizient gespeichert werden.

Prozessablauf
Ablauf des reversiblen Speicherprozesses. © ETH Zürich

Erz und Wasserstoff werden zu Eisen und Wasserdampf

An diesem Punkt setzt nun der Pilotversuch von Samuel Heiniger und seinen Kollegen von der ETH Zürich an. Für ihre Speichermethode griffen sie auf ein Verfahren zurück, das schon im Jahr 1900 kommerziell im Einsatz war: das Eisen-Dampf-Verfahren. “Dieser Prozess wurde genutzt, um hochreinen Wasserstoff aus Eisen und Wasserdampf zu erzeugen”, erklären die Forscher. In ihrer Pilotanlage verwendeten sie den umgekehrten Prozess, um Wasserstoff längerfristig zu speichern und dann wiederzugewinnen. “Dieser chemische Prozess gleicht dem Aufladen einer Batterie. So kann die Energie des Wasserstoffs fast verlustfrei über lange Zeit als Eisen und Wasser gespeichert werden”, erklärt Seniorautor Wendelin Stark von der ETH. Konkret besteht die Anlage aus mehreren Edelstahltanks, in die zu Beginn jeweils 250 Kilogramm Eisenoxid-Pulver eingefüllt wurde – gemahlenes, anderweitig aber nicht vorbehandeltes Eisenerz.

“Der große Vorteil der Technologie ist, dass das Ausgangsmaterial Eisenerz einfach und in großen Mengen zu beschaffen ist. Zudem müssen wir es nicht einmal aufbereiten, bevor wir es in den Kessel geben”, sagt Stark. Das Eisenerzpulver wird dann auf rund 400 Grad aufgeheizt und der zuvor mittels Elektrolyse unter Stromverbrauch erzeugte Wasserstoff hineingeleitet. In der Praxis würde dies im Sommer passieren, wenn Solarstrom im Überschuss vorhanden ist, wie das Team erklärt. Im Reaktor kommt es dann zu einer chemischen Reaktion, bei der das Eisenoxid zu metallischem Eisen und Wasserdampf reduziert wird. “Um die Reaktion zu fördern, wird das Wasser abgeleitet, bis die Mehrheit des Eisenoxids in Eisen umgewandelt ist”, erklären Heiniger und seine Kollegen. “Dieser Prozess repräsentiert das Laden des Reaktors.” In den Tests wurde dabei rund 88 Prozent des Eisenoxids zu Eisen reduziert. “Das entspricht einer effektiven volumetrischen Speicherdichte von 30,1 Kilogramm H2 pro Kubikmeter”, berichtet das Team.

Um den Wasserstoffspeicher wieder zu entladen, wird der Prozess umgedreht: Man leitet heißen Wasserdampf in den Tank ein, der das Eisen zu Eisenoxid oxidiert, dabei wird der übrigbleibende Wasserstoff wieder frei. Um möglichst wenig Energie zu brauchen, nutzten die Forscher die Abwärme der ebenfalls bei rund 400 Grad stattfindenden Entladereaktion, um den dafür nötigen Wasserdampf zu erzeugen. Allerdings ist diese Entladung nichts für den schnellen Wasserstoffbedarf: Bei dem Testreaktor dauerte es rund einen Monat, bis rund die Hälfte des eingeleiteten Wasserdampfs in Wasserstoff umgewandelt war. Dafür ergaben die Tests, dass das Eisenerz auch mehrfaches Laden und Entladen ohne zu starke Degradierung übersteht. Das System kann demnach für zahlreiche Speicherzyklen verwendet werden, ohne dass es ausgetauscht werden muss, wie das Team berichtet. Der verwendete Tank müsse zudem – anders als Wasserstofftanks – keine besonderen Sicherheitsauflagen erfüllen, weil die Reaktion unter normalem Druck abläuft und freier Wasserstoff im fertig geladenen Zustand kaum noch enthalten ist.

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Wie konkurrenzfähig ist das Verfahren?

Die entscheidende Frage ist jedoch, wie kostengünstig und effizient die Wasserstoffspeicherung mittels Eisen-Dampf-Verfahren ist. Um das zu ermitteln, haben Heiniger und seine Kollegen es mit anderen gängigen Wasserstoffspeichermethoden verglichen, darunter der Speicherung im verflüssigten Zustand und der Umwandlung in Ammoniak, Methan oder flüssige Kohlenwasserstoffe. Ein großes Plus gegenüber anderen Wasserstoffspeichern hat die Eisen-Dampf-Methode demnach durch geringe Kosten: “Die Einfachheit des demonstrierten Prozesses, die milden Prozessbedingungen und der geringe Preis des Eisenerzes machen ihn zu einer finanziell attraktiven Option”, schreiben die Forscher. Ihren Berechnungen zufolge liegen die Kosten für eine Anlage von 400 Gigawattstunden bei 0,57 US-Dollar pro Kilowattstunde Wasserstoff, bei einer kleineren Anlage von 100 Megawattstunden bei 1,95 US-Dollar pro Kilowattstunde.

Einen Haken hat die Technologie allerdings noch: “Zugegeben: Die Effizienz des aktuellen, nicht optimierten und noch im Versuchsstadium befindlichen Systems ist sehr gering”, räumen die Forscher ein. Beziehe man den gesamten Energiebedarf mit ein, liege sie nur bei rund 11,4 Prozent. Der größte Teil dieser Energie wurde jedoch durch Wärmeverluste über die (noch) nicht isolierte Außenwand der Edelstahltanks verbraucht. “Da der Wärmeverlust zudem mit der Größe der Tanks abnimmt, kann die Effizienz bis zu 79 Prozent erreichen, wenn das System hochskaliert und vernünftig isoliert wird”, erklären Heiniger und sein Team. Sie haben bereits erste größere Pilotanlage aus drei jeweils 1,4 Kubikmeter großen Tanks errichtet. “Die Pilotanlage kann langfristig rund zehn Megawattstunden Wasserstoff speichern. Je nachdem wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus vier bis sechs Megawattstunden Strom”, erklärt Heiniger. Dies entspreche dem Strombedarf von drei bis fünf Einfamilienhäusern in den Wintermonaten. Bis 2026 wollen die Forschenden die Anlage weiter ausbauen und damit ein Fünftel des Strombedarfs des ETH Campus Hönggerberg im Winter decken. Dafür wäre das Speichern von rund vier Gigawattstunden grünen Wasserstoffs im Sommer nötig. Im Winter könnten dann daraus rund zwei Gigawattstunden Strom gewonnen werden. Zudem würden bei der Entladung zwei Gigawattstunden Wärme anfallen, die die Forschenden in das Heizungssystem des Campus’ integrieren wollen.

Quelle: Samuel Heiniger et al. (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), Sustainable Energy & Fuels, doi: 10.1039/D3SE01228J

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