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Eine Huckepack-Kamera für Insekten

Technik|Digitales

Eine Huckepack-Kamera für Insekten
Käfer mit Kamera
Schwarzkäfer mit der Minikamera auf dem Rücken. (Bild: Mark Stone/ University of Washington)

Bei Vögeln oder Säugetieren haben uns Minikameras schon häufiger gezeigt, wie die Welt aus ihrer Perspektive aussieht. Kleine, an Kopf oder Rücken geschnallte Optiken machen es möglich. Jetzt haben Forscher erstmals eine Kamera entwickelt, die klein und leicht genug für Insekten ist. Huckepack auf dem Rücken eines größeren Käfers befestigt, liefert die nur 250 Milligramm schwere Kamera Fotos und Videoaufnahmen aus Insektenperspektive und schickt sie per Bluetooth bis zu 120 Meter weit an ein Smartphone. Möglich wird dies durch einen beweglichen Arm und ein eher kleines Sehfeld, die Stromverbrauch und Gewicht der Kamera minimieren.

In Smartphones oder Drohnen sind Miniaturkameras längst Standard. Sie liefern Aufnahmen in Megapixel-Auflösung bei teils nur wenigen Millimeter Größe. “Sie erscheinen daher intuitiv als beste Wahl auch für sehr kleine Roboter”, sagen Vikram Iyer von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen. Doch diese Kameras wiegen zwar selbst meist nur wenig, benötigen aber wegen ihres hohen Stromverbrauchs große und schwere Akkus. Für fragile Mini-Roboter oder auch Kamerarucksäcke von Insekten wären sie daher viel zu klobig und zu schwer. “Das Sehen ist für die Kommunikation und Navigation enorm wichtig, aber gleichzeitig auch eine große Herausforderung, wenn es in kleinem Maßstab geschehen soll”, erklärt Iyers Kollege Shyam Gollakota. “Deswegen war es bislang nicht möglich, kabellose Kameras für kleine Roboter oder auch Insekten zu erstellen.”

Enger Fokus, aber beweglicher Arm

Auf der Suche nach einer Lösung haben die Forscher nach Vorbildern in der Natur gesucht. “Wir haben untersucht, welche Kompromisslösungen die Evolution bei den visuellen Systemen der Insekten gefunden hat”, erklären sie. Denn auch bei diesen Tieren kostet das Sehsystem relativ viel Energie. Um zu sparen, sind ihre Komplexaugen nicht darauf ausgelegt, ein Weitwinkelbild ihres Sehfelds durchgehend scharf abzubilden. “Stattdessen haben Fliegen nur eine kleine hochauflösende Zone und bewegen ihren Kopf, wenn sie die Umgebung mit mehr Sehschärfe abtasten wollen”, erklärt Iyer. Dieses “Patent der Natur” haben die Forscher nun als Vorbild für ihre neue Miniaturkamera verwendet. Statt wie die Handyoptiken ein durchgehend scharfes Bild zu erstellen, zeigen die beiden gut einen bzw. drei Millimeter kleinen Linsen ihrer Kamera nur einen kleinen, zentralen Ausschnitt scharf. “Die kleinere Linse ist ideal, um Objekte nahe an der Kamera aufzunehmen”, so die Forscher. “Die größere Linse erlaubt es der Kamera, auf größere, weiter entfernte Objekte zu zoomen, wie ein Gebäude oder einen Menschen.”

Noch entscheidender als die Linsen aber ist ein beweglicher Arm, der den Fokus der Kamera bewegen kann und es so möglich macht, das Gesichtsfeld quasi abzutasten. Der Arm besteht aus einem zweischichtigen Streifen aus Karbonfiber und dem piezoelektrischen Material Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). Dieses Material biegt sich, sobald eine Spannung angelegt wird, und kehrt eine Minute nach Ende des Strompulses wieder in den Ausgangszustand zurück. Die am Arm montierte Kamera kann so um bis zu 60 Grad schwenken. “Dadurch bekommt man eine Weitwinkelsicht des Geschehens, ohne dafür viel Energie zu benötigen”, sagt Iyer. Kombiniert wird das Ganze mit einer extrem leichten Bluetooth-Sendeeinheit nebst Antenne und einer kleinen Batterie. Insgesamt wiegt die neue Kamera nur 248 Milligramm. Sie überträgt schwarzweiß-Aufnahmen mit 160 x160 Pixeln und einer Bildrate von ein bis fünf Bildern pro Sekunde an ein bis zu 120 Meter entferntes Smartphone. Über dieses lassen sich auch Bewegungen des Kameraarms steuern.

Schwarzkäfer als Kameraträger

Für den ersten Praxistest schnallten die Wissenschaftler ihre Miniaturkamera auf den Rücken von zwei in den USA vorkommenden größeren Vertretern der Schwarzkäfer (Tenebrionidae). “Wir stellten dabei sicher, dass die Käfer sich noch gut bewegen können, wenn sie unser System huckepack trugen”, sagt Iyers Kollege Ali Najafi. Doch für die kräftigen Käfer war der Kamera-“Rucksack” offenbar kein Problem: “Sie liefen über Kies, Steigungen hinauf und kletterten sogar Baumstämme hoch”, so Najafi. Um die Batterielaufzeit nicht unnötig zu verkürzen, hatten die Forscher zuvor ihr System um einen Beschleunigungsmesser ergänzt. Er sorgte dafür, dass die Kamera nur dann aktiv wurde, wenn der Käfer sich bewegte. “Wenn die Kamera durchgehend läuft, ist der Akku nach ein bis zwei Stunden leer. Mit dem Beschleunigungssensor konnten wir dagegen sechs Stunden und länger aufzeichnen”, sagt Najafi.

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Zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler so mitverfolgen, was der Käfer sah und wo er sich bewegte – aus seiner Perspektive. “Damit könnte man so viele Fragestellungen erforschen, beispielsweise wie der Käfer auf verschiedenen Reize in seiner Umwelt reagiert”, so Iyer. “Gleichzeitig könnte uns dieses System dabei helfen, optische Eindrücke von Orten zu bekommen, die für uns oder Roboter schwer zu erreichen sind.” Aber auch miniaturisierte Roboter könnten mit diesem Kamerasystem ausgerüstet werden: In einem weiteren Experiment konstruierten die Wissenschaftler winzige, nur rund zwei Zentimeter breite Roboter, die diese Kamera trugen. Der sich durch Vibrationen seiner Beine fortbewegende Miniroboter übermittelte ein Live-Video seines Umfelds, über welches dann einer der Forscher den kleinen Roboter fernsteuerte und navigierte. Nach Ansicht der Forscher könnten solche Systeme künftig ganz neue Möglichkeiten für die Forschung und Erkundung liefern.

Quelle: Vikram Iyer (University of Washington, Seattle) et al., Science Robotics, doi: 10.1126/scirobotics.abb0839

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