Eifrig wuselt er durchs Labor, wiegt ab, benutzt Geräte – und entscheidet. Ein Entwicklerteam präsentiert einen intelligenten Roboter, der selbstständig im Labor arbeitet und Forschungsfragen löst. Der „künstliche Wissenschaftler“ kann sogar bereits einen Erfolg vorweisen: Er hat einen neuen Katalysator entdeckt, der die Gewinnung von Wasserstoff durch Licht optimiert.
Sie montieren Autos, fertigen Werkstücke oder helfen in der Landwirtschaft: Raffinierte Roboter erledigen bereit in vielen Anwendungsbereichen teils erstaunlich komplexe Tätigkeiten für den Menschen. Auch in Forschungslaboren haben sie schon Einzug gehalten. Bisher erledigen sie dort aber nur definierte Aufgaben – im Sinne einer Automatisierung füllen sie etwa im Hochdurchsatz bestimmte Reagenzien ab oder nehmen dem Personal mechanische Tätigkeiten ab. „Unser Ziel war es nun hingegen, eine gewisse Automatisierung des Forschens zu erreichen und nicht nur der Instrumente“, sagt Andrew Cooper von der Universität Liverpool. Er und seine Kollegen haben dazu einen Roboter – wie er etwa in der Automobilfertigung eingesetzt wird – mit neuen Fähigkeiten und einem „Verstand“ ausgerüstet.
Ein umsichtiger Hightech-Laborant
Der 1,75 Meter hohe und 400 Kilogramm schwere Roboter besitzt zur Orientierung im Raum ein Laserabtastungs-System in Verbindung mit weiteren sensorischen Fähigkeiten für eine präzise Navigation. So kann er sich flexibel an die Merkmale eines neuen Labors anpassen und bei seiner freien Bewegung auch veränderlichen Hindernissen wie etwa menschlichen Kollegen ausweichen. Durch seine Größe und seine feinmotorischen Greifwerkzeuge kann er mit Laborgeräten arbeiten, die für die Bedienung durch Menschen konzipiert sind, erklären die Wissenschaftler. Im Gegensatz zu diesen Kollegen hat er allerdings unendlich viel Motivation sowie Geduld bei der Arbeit und ist fast unermüdlich: Er kann täglich 21,5 Stunden lang arbeiten – er muss nur pausieren, um seine Batterie aufzuladen.
Der Robo-Laborant kann lernen, wo er die verschiedenen Geräte und Reagenzien im Raum findet und agiert dann selbstständig: Er wiegt Feststoffe ab, dosiert Flüssigkeiten und führt alle Tätigkeiten aus, die für die Experimente nötig sind. Das besondere ist dabei: Er geht bei der Arbeit nicht nach einem festen Schema vor, sondern entscheidet in Abhängigkeit von den Ergebnissen seiner Versuche selbst, welche Experimente er als Nächstes durchführt. Möglich wird dies durch künstliche Intelligenz, mit der die Wissenschaftler den Roboter ausgestattet haben.
Dieser „Verstand“ beruht auf einem Algorithmus, der maschinelles Lernen ermöglicht: Im Rahmen bestimmter Vorgaben kann der Roboter durch die Trial-and-Error-Methode Fortschritte machen und abhängig von den Ergebnissen von Versuchen neue Experimente planen und durchführen. “Die größte Herausforderung bestand darin, das System robust zu machen. Damit der Roboter über mehrere Tage hinweg autonom arbeiten und dabei Tausende von heiklen Manipulationen durchführen kann, muss die Ausfallrate für jede Aufgabe sehr gering sein. Aber sobald dies erreicht ist, macht der Roboter weit weniger Fehler als ein menschlicher Laborant“, sagt Co-Autor Benjamin Burger.
Erfolgreicher Test
Den Prototyp des Roboters haben die Wissenschaftler auf die Erforschung von Photokatalysatoren angesetzt: Er sollte nach Substanzen suchen, die eine Reaktion durch Lichteinfluss optimieren, die zur Herstellung von H2-Gas aus Wasser führt. Ein Vorteil bei der Durchführung der lichtempfindlichen photochemischen Reaktionen war dabei, dass der Roboter auch in völliger Dunkelheit arbeiten kann. Wie die Entwickler berichten, führte der Roboter im Laufe von acht Tagen 688 Experimente durch. Dazu erledigte er 6500 Einzeltätigkeiten und legt im Labor eine Gesamtstrecke von 2,17 Kilometern zurück. In kurzer Zeit konnte er die Reaktionsbedingungen bei den Versuchen optimieren und schließlich auch ein Resultat vorweisen: Er entdeckte einen Photokatalysator mit vielversprechenden Eigenschaften, berichten die Wissenschaftler.
Sie sehen in dem Konzept nun großes Potenzial für die Forschung. Beispielsweise könnten autonome Roboter Materialien für die Produktion sauberer Energie oder neue Medikamentenformulierungen finden, indem sie den gewaltigen Bedarf an Versuchen übernehmen. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise gibt es zudem noch einen weiteren Vorteil: Zu dem Robo-Laboranten müssen menschliche Mitarbeiter keine soziale Distanz wahren, hebt das Team hervor.
Doch werden die Techno-Wesen möglicherweise eines Tages menschliche Forscher überflüssig machen? Absehbar ist das bisher nicht, sagt Cooper: „Der Roboter kann die Experimente nicht grundlegend konzipieren und keine Hypothesen entwickeln – das müssen noch immer Menschen erledigen“, so der Wissenschaftler.
Quelle: Universität Liverpool, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2442-2; Video was created by Dr Benjamin Burger