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Ein kleines Stück Unsichtbarkeit

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Ein kleines Stück Unsichtbarkeit
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Metamaterial für den Infraroten Spektralbereich aus Doppelsplitring-Resonatoren. Die Nanostrukturen bestehen aus 20 nm dickem Gold. Hergestellt am 4. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart. Bild: H. Giessen, Universität Stuttgart
Stück für Stück kommen Experimental- physiker der Unsichtbarkeit näher. Mit ausgefeilten Materialien aus der Gruppe der sogenannten Metamaterialien konnten Forscher bereits im vergangenen Jahr eine Tarnkappe für Mikrowellenstrahlung konstruieren. Noch gibt es aber keine Stoffe, die sichtbares Licht um größere Gegenstände so herumleiten können, dass sie vollständig unsichtbar werden. Ob das trotz aller Fortschritte der vergangenen Jahre überhaupt jemals möglich sein wird, lässt sich bislang nicht vorhersagen.

Es klang wie eine kleine Sensation, was eine Gruppe von US-Physikern Ende September vermeldete: Es sei ihnen gelungen, eine Art Tarnkappe zu bauen, eine Vorrichtung also, mit der Gegenstände quasi unsichtbar gemacht werden können. Das beschwor sofort Bilder von Harry Potters unsichtbarmachenden Mantel, der Tarnkappe Siegfrieds aus dem Nibelungenlied oder dem Ring aus Tolkiens “Herrn der Ringe” herauf. Die Realität sieht allerdings ein bisschen anders aus: Die Tarnkappe der amerikanischen Wissenschaftler hat einen Durchmesser von gerade einmal zehn Mikrometern – und es ist zudem umstritten, ob sie überhaupt funktioniert.

Zwar lassen sich Flugzeuge oder Schiffe schon lange in gewisser Weise unsichtbar machen, allerdings nur für Radarwellen. Dabei wird verhindert, dass das zur Ortung ausgesandte Radarsignal von Flugzeugen oder Schiffen reflektiert wird, zum Beispiel mit Hilfe radarabsorbierender Lacke oder durch eine besondere Form. Solange kein reflektiertes Signal empfangen wird, sind die Flugzeuge und Schiffe auf dem Radarschirm tatsächlich unsichtbar – das menschliche Auge sieht aber das Objekt nach wie vor.

“Die Voraussetzung, dass ein Objekt unsichtbar wird, ist, dass es keine Streuung des Lichts am Objekt gibt und dass das Licht hinter dem Objekt genauso weiterläuft wie davor”, erläutert Stefan Linden, Physiker aus Karlsruhe. Das Licht muss also sozusagen um das Objekt herumgeführt werden, so wie Wasser einen glatten Stein umfließt. “Licht folgt dem kürzesten optischen Weg”, erklärt Linden. “Bei Materialien mit bestimmten Brechungszahlen ist für das Licht der Weg außen herum schneller als geradeaus, und so ist es für das Licht attraktiver, außen herum zu gehen.”

Solche Stoffe, die elektromagnetische Strahlungen wie Licht auf diese Weise beeinflussen können, finden sich zum Beispiel unter den sogenannten Metamaterialien, an denen Linden forscht. “Metamaterialien sind künstliche Materialien mit kleinen elementaren Bausteinen in periodischer Anordnung”, erläutert der Physiker das Prinzip. Der Abstand der Bausteine muss sehr klein sein im Vergleich zur Wellenlänge der Strahlung, die beeinflusst werden soll. Das kann dann unter bestimmten Bedingungen dazu führen, dass ein Lichtstrahl in einem ungewöhnlichen Winkel abgelenkt wird. Kein natürliches Material hat diese Eigenschaft.

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Metamaterialien herzustellen, gelang erst Anfang dieses Jahrtausends und zuerst auch nur für sehr langwellige elektromagnetische Strahlung außerhalb des sichtbaren Spektrums – etwa für Mikrowellen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es sie jedoch auch für sichtbare Frequenzen. “Für Metamaterialien verwendet man Kupfer, Gold oder Silber in Verbindung mit Teflon oder Kapton, und für den sichtbaren Bereich auch Glas oder neuerdings Halbleiter”, erläutert Harald Giessen von der Universität Stuttgart, der ebenfalls mit Metamaterialien arbeitet.

Unsichtbar machen konnte man sich damit allerdings noch lange nicht. Damit nämlich ein Metamaterial elektromagnetische Strahlen um sich herumführen kann, müssen die optischen Eigenschaften innerhalb des Materials variieren. Außerdem muss eine Tarnkappe für sichtbares Licht, wie Siegfried sie hatte, das ganze Spektrum des Lichts gleichermaßen erfassen – und auch das können die Metamaterialien noch nicht. Was jedoch im vergangenen Jahr realisiert werden konnte, ist eine Tarnvorrichtung für den Mikrowellenbereich. Allerdings wirkt auch sie lediglich bei einer einzigen Wellenlänge und zudem nur in zwei Dimensionen.

Das gleiche gilt auch für die jetzt vorgestellte Variante, die nach Angaben von Igor Smolyaninov von der Universität in Maryland und seinem Team die erste Tarnkappe für sichtbares Licht ist. Mit ihrem Durchmesser von nur zehn Mikrometern ist sie aber so klein, dass sie für das bloße menschliche Auge auch ohne Tarnfunktion unsichtbar ist, merkt Linden an. Zudem ist der Physiker, genau wie eine Reihe seiner Kollegen, nicht wirklich davon überzeugt, dass die Tarnkappe aus Maryland vollständig unsichtbar machen kann. Auch Giessen zweifelt: “Um diesen Effekt eindeutig nachzuweisen, würde ich gerne sehen, dass die Wellenlänge, mit der das Experiment durchgeführt wurde, variiert wird”, fordert er.

Andere Wissenschaftler sind weniger skeptisch. So entwarf beispielsweise der US-Mathematiker Allan Greenleaf unlängst in der Theorie einen Tarnzylinder, der unter anderem in der Medizintechnik zum Einsatz kommen könnte. Auch die Konstruktion eines 3D-Fernsehers mit Hilfe der Tarnzylinder kann sich der Forscher vorstellen.

Wann aber die Wissenschaft wirklich so weit ist, den Sprung von der Theorie in die Praxis zu schaffen, ist nach wie vor unsicher. Linden geht davon aus, dass es mit der heutigen Technologie innerhalb der nächsten fünf Jahre noch nicht möglich sein wird, größere Objekte für das menschliche Auge unsichtbar zu machen. Sein Kollege Giessen ist etwas optimistischer: “Man kann niemals nie sagen, und man sollte die Kreativität der Experimentalphysiker nicht unterschätzen”, sagt er augenzwinkernd.

ddp/wissenschaft.de – Gesa Graser
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